Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
sein Blick über uns glitt.
»Während Ihrer Zeit am St. Clément werden Sie neue Freundschaften schließen, neue Begabungen entdecken und sich schließlich für Ihren Zweig des Wächtertums entscheiden. Das Wichtigste jedoch ist, dass Sie lernen, Ihre Kräfte zu beherrschen und richtig einzusetzen. Der Sinn unserer Berufung liegt in der Kontrolle über die Untoten. Wir bringen sie nur dann zur Ruhe, wenn es wirklich notwendig ist. Jedes Leben ist wertvoll, auch das zweite Leben.«
Ich wollte zu Aprils Tisch hinübersehen, verkniff es mir aber.
»Die Berufung zum Wächter ist keine harmlose Aufgabe. Jeden Tag werden Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen, alles im Dienst der Menschheit.« Er machte eine Kunstpause. »In Ihren Kursen werden Sie die drei grundlegenden Fähigkeiten des Wächters vervollkommnen:
Intuition
, die Untoten erspüren.
Evaluation
, sie beurteilen.
Exekution
, sie zur Ruhe bringen. Doch Unterricht ist kein Ersatz für echte Erfahrung. Sie werden lernen müssen, auf sich selbst achtzugeben, und jetzt ist der perfekte Moment, um damit anzufangen.« Er deutete auf die Tür. »Die Schulpforten sind stets geöffnet. Sie können kommen und gehen, wie Sie es wünschen, und auf eigenes Risiko.
Davon abgesehen gibt es bei uns zwei Regeln. Erstens verlange ich von Ihnen, dass Sie das am St. Clément Gelernte für sich behalten. Sie werden die Existenz von Wächtern oder Untoten mit niemandem außerhalb dieser Mauern besprechen. Genauso wenig werden Sie Ihre Fähigkeiten außerhalb dieser Gemeinschaft zur Schau stellen, solangesich keine lebensbedrohliche Situation einstellt. Sollte die Öffentlichkeit von der Existenz der Untoten erfahren, wird man versuchen, alle zu begraben. Das hat uns die Geschichte wiederholt gezeigt.
Und zweitens möchte ich, dass Sie jederzeit einen Schutz mit sich führen. Bewährt hat sich eine kleine Schaufel, weil sie als schlichte Waffe und als Begräbniswerkzeug zugleich verwendet werden kann. Aber auch eine Streichholzschachtel oder eine Rolle Mull sind denkbar. Unsere Aufgabe ist es, Sie das Denken und Handeln eines Wächters zu lehren.« Er griff in seine Jacke und zog etwas heraus, das in ein Tuch eingeschlagen war. Er faltete es auf und zog eine kleine Pflanzschippe und ein Paar Handschuhe heraus. »Für uns Lehrer gelten die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, wie Sie sehen.«
Er wickelte sein Werkzeug wieder ein und ließ es zurück in die Tasche gleiten.
»Zuletzt möchte ich noch den Rangersten dieses Schuljahrs bekannt geben. Für diejenigen von Ihnen, die neu am St. Clément sind: Der rangerste Schüler ist derjenige, der im klassenübergreifenden Einstufungstest die besten Ergebnisse erzielt hat. Dieser Schüler ist damit der beste Wächter unseres Instituts.«
Er blickte auf einen Zettel. »Renée Winters.«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass er da meinen Namen genannt hatte. Als dann der Groschen fiel, war ich so überrascht, dass meine Gabel in meinem Schoß landete. Ich hob sie auf und wischte den Fleck weg, während sich alle Köpfe zu mir umdrehten und ich tomatenrot anlief. Wie konnte ich den ersten Platz erzielt haben, wo ich noch nicht mal alle Antworten geschafft hatte?
»Renée, treten Sie bitte nach vorn?«, sagte der Rektor und blickte suchend in die Menge, unsicher, welche ich denn nun war.
Ich erhob mich und ging nach vorne zum Podium. Auf dem Parkett waren meine Schuhe viel zu laut. Die Leute tuschelten, als ich oben ankam. Strahlend zog der Rektor eine kleine katzenförmige Brosche hervor.
»Die Katze ist das Maskottchen von St. Clément und das Wappentier von uns Wächtern aller Nationen«, sagte er und steckte sie mir an den Blusenkragen. »Jetzt sind Sie und die Katze eins.«
»Danke«, antwortete ich und versuchte, meine Gesichtsfarbe in den Griff zu bekommen.
»Meine Glückwünsche«, sagte er. »Und willkommen am St. Clément.« Unter lautem Beifall der anderen fügte der Rektor hinzu: »Könnten Sie mich bitte am Montagnachmittag nach dem Unterricht in meinem Büro aufsuchen?«
»Natürlich«, entgegnete ich und sah ihn neugierig an. Aber er lächelte nur. Ich wollte gerade an meinen Platz zurückkehren, als er mich aufhielt.
»Und nun wird uns Renée den Cartesischen Eid vorsprechen.«
Eine Welle der Übelkeit überrollte mich, während sich der gesamte Speisesaal erhob und die Bänke über den Boden kratzten.
»Entworfen von unseren Vorfahren im Geiste René Descartes’ ist der Cartesische Eid der einzige Schwur,
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