Dead Cat Bounce
trank gierig. Es war nicht genug, um seinen brennenden Durst zu stillen, doch wenigstens wusste er jetzt, dass er noch am Leben war. Er hatte keine Ahnung, wo er war oder wie er hergekommen war. Dass er im Zelt gelegen und auf den Schlaf gewartet hatte, war das Letzte, woran er sich erinnern konnte. Irgendwelche Viecher krabbelten auf ihm herum und flogen an ihm vorbei. War das das Wartezimmer zur Hölle?
»Wo bin ich?«, fragte er, bekam aber keine Antwort, lediglich das Seil wurde wieder in seinen Mund zurückgestopft. Dann kehrte die Stille zurück. Er hörte nichts, keine Schritte, keine Atemzüge bis auf seine eigenen. War das ein Geist gewesen?
In den nächsten vier Stunden wiederholte Chippy das Ganze alle halbe Stunde. Er sagte kein Wort und entfernte kein einziges Mal die Augenbinde. Inzwischen murmelte der Baron wirres Zeug und träumte Dinge, die er nicht träumen wollte. Dafür hatte der Tee gesorgt. Es war eine sehr wirksame Mischung psychotroper Kräuter mit einem großzügigen Schuss Honig, die zum Handwerkszeug eines Medizinmannes gehörte. Das Verhör des Barons konnte beginnen.
Chippy kehrte zum Hauptcamp zurück, um Jonah und David zu holen.
Klaasens verließ um 17.30 Uhr das Polizeirevier, nachdem alle Anschuldigungen ihm gegenüber fallen gelassen worden waren. Jemand von ganz weit oben hatte Druck ausgeübt. Vor dem Polizeirevier wartete ein Wagen auf ihn, der ihn zum Wildreservat Luipaard zurückbringen würde, wo er sich mit Amelia treffen sollte. Sie kam um 18.30 Uhr und hatte ein ganzes Arsenal an elektronischen Wärmesuch- und Horchgeräten dabei. Die beiden fuhren schnurstracks zum Zaun und suchten sich von dort aus den Weg zu dem Hügel in der Nähe der Höhlen. Es war Zeit, den beiden Lightbodys zu zeigen, dass mit Apollyon nicht zu spaßen war.
Die Sonne war bereits hinter dem Hügel verschwunden, als Jonah, David und Chippy auf die Höhle zugingen. Chippy trug die traditionelle Kleidung eines Medizinmannes: Perlen und Knochen um Fußknöchel und Hals, Fellstreifen unterhalb der Knie, einen Rock aus Ziegenleder und Mungofellen, noch mehr Leder und Felle um Schultern und Oberarme und einen Kopfschmuck aus Federn und geflochtenen Gräsern, der die gleiche Farbe wie seine ockergelbe Gesichtsbemalung hatte. In der Hand hielt er einen langen Speer und um seinen Hals hingen eine kleine Flasche und ein Lederbeutel mit Kräutern. David war mit einer dunklen Hose und einem alten Mantel, den er sich von Chippy ausgeliehen hatte, bekleidet. Ein Schal hing um seinen Hals und auf dem Kopf trug er eine flache Mütze mit einem kurzen Schild. An den Schal hatte er ein Kreuz geheftet, das er aus Karton und Alufolie gebastelt hatte. Es sah aus wie der Orden Pour le Mérite, die höchste militärische Auszeichnung, die im Ersten Weltkrieg verliehen worden war. Jonah, der eine schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt trug, hielt seine Kleidung im Vergleich zu den beiden Männern für völlig normal. Allerdings hatte er Gesicht und Arme mit Schlamm aus dem Wasserloch geschwärzt. Er trug ein Bündel Feuerholz und zwei afrikanische Trommeln. In seinem Gürtel steckte die Pistole, in seiner Tasche Chippys Mundharmonika. Auch David hatte eine Waffe in der Tasche seines Mantels. Unter anderen Umständen hätte Jonah mit seinen beiden Begleitern an Halloween losziehen und reichte Beute machen können.
Als sie die Höhle betraten, legte Chippy den Finger auf die Lippen und nahm Jonah das Feuerholz ab. Er schaltete eine kleine Taschenlampe ein und richtete ihren Strahl auf die Szene vor ihnen. Der Baron lag auf dem Boden und sah eher wie ein verdreckter, vor sich hin brabbelnder Penner aus als der König von Hellcat. Jonah schlug die Hand vor den Mund. Sein Vater hatte ihm erklärt, dass zu dem Verhör auch ein Sack über dem Kopf und Reizabschirmung gehörten, dazu noch psychotropische Drogen, um den Prozess zu beschleunigen. Trotzdem war er vom Anblick des Barons entsetzt. An den Stiefeln des Barons nagten zwei Ratten, die erst davonhuschten, als Chippy auf den Mann zuging. Jonahs Blick ging von Chippy zum Baron. Vor zwei Tagen, in Amsterdam, hatte er den Baron leblos und blutend am Boden liegen sehen, nachdem er auf ihn geschossen hatte, doch das hier war viel, viel schlimmer.
Ungefähr zur gleichen Zeit erreichten Amelia und Klaasens den höchsten Punkt des Hügels. Die Sonne ging gerade unter, doch keiner der beiden interessierte sich für das Glühen am Himmel. Der Hügel war der
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