Dead Cat Bounce
einmal angefangen.«
Jonahs Vater drehte sich nicht um.
Der Junge starrte den Baron an und flehte stumm um Hilfe.
»Hm …«, meinte der Baron. »Wir leben in schwierigen Zeiten. Sehr schwierigen Zeiten. Warum fragst du deinen Vater nicht, ob er dich morgen wieder herkommen lässt?«
Jonah konnte es nicht glauben. »Sie wollen, dass ich wiederkomme?«
»Aber natürlich, Kleiner. Habe ich nicht gesagt, dass wir Großes miteinander vollbringen werden?«
5
Dienstag, 24. August
»Der Baron und seine geheimnisvollen Telefonanrufe, stimmt’s?«, sagte Franky am nächsten Tag, während sie mit dem Kopf in Richtung der Tür wies, die zum Büro des Barons führte. Offenbar nutzte er es nur, wenn er vertrauliche Angelegenheiten zu erledigen hatte, und saß im Cockpit, wenn er am Geschehen im Bunker teilhaben wollte. Jetzt hielt er sich gerade in seinem Büro auf.
»Er hat wohl viel Wichtiges zu erledigen«, mutmaßte Jonah.
»Hah!«, schnaubte Franky. »Vielleicht ist er auch gerade dabei, Händler anderer Banken zu terrorisieren. Weißt du eigentlich, wo er seinen Spitznamen herhat?«
»Das hat was mit einem deutschen Jagdflieger zu tun, oder?« Jonah war immer noch fassungslos, weil Jammy schon wieder nicht gekommen war und der Baron es irgendwie geschafft hatte, seinen Vater zu überreden, dass Jonah ihn ein zweites Mal in die Bank begleiten konnte.
»Stimmt. Er hat den Namen von einem Händler einer anderen Bank bekommen, den er bei einem brillanten Geschäft abgezockt hat. Als dem Händler klar wurde, wie viel er verloren hat, brüllte er los: ›Das ist ja das reinste Gemetzel. So muss es gewesen sein, als der Rote Baron seine Gegner vom Himmel geschossen hat.‹«
Jonah lachte leise. »Ist das tatsächlich so passiert?«
»Ja«, erwiderte Franky, die entschieden besser gelaunt war als gestern. Sie deutete auf den Monitor mit den Transaktionen hinter ihm. Er zeigte eine Unmenge von Zahlen an, von denen die meisten blau dargestellt wurden. Nur wenige Zahlen in Rot stachen ins Auge. »Eine blaue Zahl steht für einen Gewinn, aber eine rote Zahl bedeutet, dass man Verlust gemacht hat.«
Jonah nickte, während Franky mit ihrer Erklärung fortfuhr. »Der Monitor des Händlers muss so mit roten Zahlen voll gewesen sein, dass es wie ein blutiges Schlachtfeld ausgesehen hat.« Die Frau legte eine dramatische Pause ein. »Der echte Rote Baron – der Deutsche – saß in einem Flugzeug wie dem da oben, einem Fokker Dreidecker. Unser Baron schickt den Händlern, die er abgezockt hat, ein kleines Modellflugzeug dieses Typs, um sie daran zu erinnern, was er getan hat. Manchmal bekommen sie es auch einfach so, weil er sie ärgern will.« Franky, deren Augen vor Begeisterung glänzten, warf ihre Haare zurück, die sie heute offen trug.
Jonah war stolz darauf, dass er jetzt aus reinem Zufall auf der Seite eines derart couragierten Mannes stand. Doch dieses wohlige Gefühl verschwand gleich wieder, als er an seinen Vater dachte und daran, dass dessen Spitzname Schwäche signalisierte. Jonah holte tief Luft. Es war nicht das erste Mal in den letzten vierundzwanzig Stunden, dass ihm aufgefallen war, wie verschieden die beiden Männer waren.
Franky verstand Jonahs Schweigen als Aufforderung weiterzureden. »Bei unserem Job geht es um Angst und Gier. Gier, weil jeder versucht, Gewinn zu machen, und Angst, weil wir alle Angst haben, Verlust zu machen. Der Baron ist der am meisten gefürchtete Händler in London und das nutzt er gnadenlos aus.«
»Ist er deshalb so ein guter Händler?«, fragte sich Jonah laut.
»Zum Teil. Aber es liegt auch daran, dass er sehr schnell reagiert, wenn er eine gute Gelegenheit sieht. Wenn der Moment günstig ist, schlägt er zu. Und wenn er zuschlägt, dann richtig. Der Baron hat gute Nerven. Sehr gute Nerven.«
»Dann mögen Sie ihn also?« Jonah musste daran denken, dass sein Besuch gestern nicht ohne Spannungen verlaufen war.
»Wir lieben ihn heiß und innig«, meinte Franky, »aber wir gehören ja auch zu seinem Team.« Dog, der Mann mit dem Wieselgesicht, war in den Bunker gekommen. Franky drehte sich zu ihm um. »Stimmt’s, Dog? Wir lieben den Baron.«
»Oh ja, natürlich. Wir lieben den Baron. Und wir sind ihm treu ergeben«, erwiderte Dog mit einer tiefen Verbeugung.
Franky lachte schallend. »Beachte ihn gar nicht. Der Baron und er hatten so ihre Meinungsverschiedenheiten, aber er gehört trotzdem zum Bunker, und zwar mit Haut und Haaren. Nicht wahr, Dog?«
»Oh ja!«, rief
Weitere Kostenlose Bücher