Dead - Ein Alex-Cross-Roman
Antworten kannten. Noch nicht, und vielleicht würden wir sie nie erfahren. Besonders die, die sich um Kyle Craig drehten.
»Wer war das denn eigentlich in echt? Dieser DCPK?«, wollte Jannie wissen. Ich habe ihre Neugier immer schon sehr geschätzt, war mir aber nicht sicher, was ich von diesem aufkeimenden Interesse an kriminalistischen Dingen halten sollte. Ein zweiter Drachentöter war das Letzte, was wir in unserem Haus in der Fifth Street gebrauchen konnten.
»Eigentlich müssten wir schon bald Genaueres wissen«, sagte ich. Man hatte von Anthony und Sandy - von ihrer Leiche, um genau zu sein - Fingerabdrücke genommen. Ich nahm
an, dass sie irgendwo auftauchen würden, in irgendwelchen Akten, vielleicht sogar in Kyles alten Notizen aus seiner Zeit beim FBI.
Schließlich schickte ich meine Familie nach Hause und machte zusammen mit Bree einen Besuch bei unserem Gefangenen. Wir beobachteten durch ein Fenster hindurch, wie »Anthony« gerade postoperativ versorgt und zur Verlegung fertig gemacht wurde. Er war mit Handschellen an das Krankenhausbett gefesselt, lag die ganze Zeit nur da und starrte an die Decke. Diese völlige Stille war mir heute schon einmal an ihm aufgefallen. Sie war unmöglich zu deuten. War das Kapitulation? Berechnung? Langeweile? Die Antworten darauf würden mit darüber entscheiden, ob er ins Gefängnis oder in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen würde.
»Sie heißen Aaron und Sarah Dennison.«
Ich drehte mich um und sah Ramon Davies hinter uns stehen. »Aaron ist in der zentralen Fingerabdruckdatei des FBI gespeichert. Bis jetzt wird er in zwei Bundesstaaten per Haftbefehl gesucht, in Kalifornien und Nevada. Er wird verdächtigt, in jedem Bundesstaat zwei Morde begangen zu haben. Seine Schwester Sarah ist dagegen ein unbeschriebenes Blatt. Sie haben ein bisschen geschauspielert, in Vegas, Tahoe, Sacramento, meist an kleineren Regionaltheatern.«
»Wo waren sie denn, bevor sie nach Washington gekommen sind? Wissen wir das?«, fragte ich den Superintendenten.
»In und um Los Angeles. Wieso?«
Ich schüttelte den Kopf und warf noch einmal einen Blick durch das Fenster - Aaron , nicht Anthony. »Hätte mich bloß interessiert, ob irgendetwas von dem, was er mir erzählt hat, auch die Wahrheit war. In L.A. hat er wahrscheinlich die Sache mit Michael Bell verfolgt. Den Ave-Maria-Fall. Er muss auch da schon Kontakt mit Kyle Craig gehabt haben.«
»Was ist mit dem Webcast?«, sagte Bree. »Wissen wir schon, wie viele Leute das gesehen haben?«
Davies blickte von ihr zu mir. »Ich würde sagen, falls Sie Ihre Geschichte jemals verkaufen wollen, dann wäre jetzt vermutlich ein guter Zeitpunkt dafür.« Wir lachten nur, weil wir gegen die Verbreitung und die Popularität dieses Webcasts nichts unternehmen konnten.
»Er hat im Großen und Ganzen doch bekommen, was er wollte, stimmt’s?«, sagte Bree. »Wenigstens ist er berühmt geworden. Zumindest als glühender Anhänger von Kyle Craig.«
Ich wandte mich vom Fenster ab. Mit einem Mal hatte ich genug von seinem Anblick, genug von diesem Fall. »Ich hoffe, es hat sich gelohnt, Anthony .«
Da hörte ich einen gedämpften Ruf durch das Sichtfenster dringen. Ich drehte mich noch einmal um.
»Du wirst sterben!«, kreischte Aaron. »Das wirst du, Cross!«
Epilog
Letzte Tage
Kyle Craig ließ nichts mehr von sich hören, was mich nicht allzu sehr überraschte. Er hatte fürchterliche Drohungen ausgestoßen, aber wenn er mich hätte töten wollen, dann hätte er es getan. Er hatte in dieser Gasse seine Chance gehabt. Daher gingen die folgenden Tage für mich ziemlich schnell vorbei, deutlich schneller vermutlich als für Damon. Mein Junge zog von zu Hause fort.
Als wir dabei waren, die Sachen in das Auto zu packen, die er für sein erstes Semester an der Cushing Academy brauchte, ließ er seinen Gefühlen in regelmäßigen Abständen freien Lauf. Cool zu sein, war für ihn jetzt einfach nicht mehr angesagt.
Die letzten Tage verbrachten er und ich gemeinsam auf der Fahrt hinauf nach Massachusetts. Wir machten einen Zwischenstopp bei meinem Cousin Jimmy im Red Hat in Irvington, bekamen ein leckeres Essen und hörten uns ein bisschen Jazz an, dann fuhren wir weiter. Ich stellte fest, dass ich jetzt derjenige war, der in regelmäßigen Abständen seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Ich nahm an, dass das gut so war, vielleicht so etwas wie emotionales Wachstum. Allerdings machte mein Leben mir ernsthaften Kummer. Manchmal fragte ich
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