Dead - Ein Alex-Cross-Roman
unter uns bleibt.«
Sie machte die Zimmertür zu, ohne die Antwort ihres Stellvertreters abzuwarten.
»Soll ich auch gehen?«, fragte ich.
»Nein. Ich will, dass du hierbleibst. John auch.«
Dann ließ sie das Band weiterlaufen.
15
Ein Mann trat aus dem Schatten ins Bild. Der Killer? Wer sonst? Er hatte uns dieses Video hinterlassen, oder etwa nicht? Damit wir es uns ansehen. Er trug einen einfachen, mehlfarbenen Umhang, ein schwarz-weißes Palästinensertuch und hatte allem Anschein nach einen gewaltigen Hass auf die ganze Welt. Eine AK-47 quer über den Schoß gelegt, so setzte er sich auf den Stuhl und sprach in die Kamera.
Also, das war wirklich sehr, sehr seltsam. Es raubte mir, ehrlich gesagt, den Atem. Die Machart des Videos war allgemein bekannt. Wir alle hatten solche Aufnahmen schon zu Gesicht bekommen, von Al-Kaida, der Hisbollah, der Hamas.
Mein Magen zog sich noch ein bisschen stärker zusammen. Gleich würden wir etwas über unseren Killer erfahren, und ich hätte wetten können, dass es nichts Gutes war.
»Es wird Zeit, dass das Volk der Vereinigten Staaten zur Abwechslung einmal zuhört«, sagte der Mann mit einem starken Akzent. Auf den Wangen, der Stirn und seiner großen Nase waren tiefe Pockennarben zu erkennen. Seine Hautfarbe, der Schnurrbart und die vermutliche Körpergröße stimmten mit den Aussagen der Zeugen vor dem Riverwalk vom Nachmittag überein.
Das war unser Täter, oder nicht? Der Mann, der die Schriftstellerin Tess Olsen aus dem zwölften Stock in den Tod gestoßen hatte. Und der es darüber hinaus auch für angemessen gehalten hatte, sie vorher mit einer Hundeleine zu demütigen.
»Ihr alle, die ihr dieses Video seht, seid des Mordes schuldig. Jeder Einzelne von euch ist genauso schuldig wie euer feiger Präsident. Genauso schuldig wie euer Kongress und euer
Verteidigungsminister, dieser Lügner. Und mit Sicherheit genauso schuldig wie die erbärmlichen amerikanischen und britischen Soldaten, die durch die Straßen meiner Städte ziehen und mein Volk töten, nur weil ihr glaubt, dass euch die ganze Welt gehört.
Jetzt werdet ihr mit eurem Leben dafür bezahlen. Dieses Mal wird das Blut von Amerikanern in Amerika vergossen werden. Und ich bin es, der es vergießen wird. Lasst euch nicht täuschen. Ein einzelner Mann kann vieles bewirken. So, wie keiner von euch unschuldig ist, so ist auch keiner von euch mehr sicher .«
Der Mann stand auf und näherte sich der Kamera, starrte uns an, als könnte er direkt ins Zimmer blicken. Dann bleckte er die Zähne zu einem absolut grauenhaften Lächeln. Eine Sekunde später war wieder nur flimmerndes Rauschen zu sehen.
»Mein Gott«, sagte Sampson in die nun folgende Stille hinein. »Was, zum Teufel, soll denn dieser durchgeknallte Scheiß? Wer ist denn der Verrückte?«
Bree wollte gerade die Stopp-Taste drücken, da tauchte das nächste Bild auf.
»Eine Zugabe«, sagte Sampson. »Der Typ will uns jedenfalls für unser Geld was bieten.«
16
Zunächst war er nur undeutlich zu erkennen - irgendjemand stand vor der Kamera. Als er ein paar Schritte zurücktrat, erkannten wir, dass es sich um denselben Mann handelte, nur dass er jetzt einen einfachen grünen Overall und eine Baseball-Mütze mit der Aufschrift »MO« trug.
Die Aufnahme war offensichtlich in Tess Olsens Wohnzimmer gemacht worden. Heute ! Mrs Olsen war im Hintergrund zu erkennen, auf allen vieren, nackt und sichtbar zitternd. Mit zugeklebtem Mund. Um ihren Hals lag eine rote Hundeleine.
Er hatte alles aufgenommen, hatte die ganze Zeit über vor Publikum gespielt.
Die Stimmung in dem kleinen Zimmer war sowieso schon schlecht gewesen, jetzt wurde sie noch sehr viel schlechter. Der Killer - beziehungsweise der Terrorist, wie ich ihn in Gedanken bereits nannte - ging auf Tess Olsen zu. Er zerrte an der Leine, und sie kam mühsam und von unkontrolliertem Schluchzen begleitet auf die Füße. Womöglich wusste sie bereits, was jetzt auf sie zukam. Heißt das, dass sie den Killer gekannt hat? Wie war das möglich? Im Zusammenhang mit einem Buch, an dem sie gerade arbeitete? Womit hat sie sich zuletzt beschäftigt?
Wenige Sekunden später hatte der Mann sie auf den Balkon geschleift. Erst fummelte er an dem Klebeband herum, dann riss er es ihr mit einem Ruck vom Mund. Aus der Entfernung war nicht viel zu hören, bis er Mrs Olsen über die Brüstung baumeln ließ. Dann erreichten ihre durchdringenden Schreie auch das Mikrofon der Kamera, die vielleicht sechs, sieben Meter
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