Dead - Ein Alex-Cross-Roman
in einer selbst gezimmerten Berghütte in den Rocky Mountains. Rund um Babb, Montana, mit seinen 560 Einwohnern galt er als stiller, netter Zeitgenosse, der nicht gerade menschenscheu war, aber in der Regel lieber für sich blieb. Eine feste Partnerin wurde nirgendwo erwähnt.
Was aber vermutlich wichtiger war: Tyler hatte fast eine Million Dollar aus dem Vermögen seines Bruders geerbt, sechs Monate lang darauf gesessen, dann das Konto aufgelöst und am letzten Tag, an dem er in Montana gesehen worden war, mehrere Dutzend Kassenschecks in unterschiedlicher Höhe in Empfang genommen. Was hatte das alles zu bedeuten? Und wo war Tyler Bell jetzt?
Bree, Sampson, Anjali und ich hielten eine Telefonkonferenz mit dem Sheriff’s Department von Glacier County und einem hochrangigen FBI-Agenten namens Christopher Forrest ab, der in der FBI-Außenstelle von Salt Lake City saß. Außerdem war John Abate zu uns gestoßen, der FBI-Agent, der hier in Washington für DCPK zuständig war.
»Wie weit sind Sie denn mit Ihrer Suche nach dem Vermissten?«, sagte Abate in das Mikrofon.
»Die Akte ist zwar nicht geschlossen, aber wir haben die Ermittlungen unsererseits faktisch eingestellt. Der Kerl ist entweder tot oder will nicht gefunden werden.« Der zuständige Beamte der Polizei in Montana, Steve Mills, besaß einen unerwarteten englischen Akzent. Wie denn das?
»Forrest, was können Sie uns sagen?«, fragte Abate kurz angebunden und in befehlsgewohntem Ton. »Wir wollen alles hören, was Sie über Bell wissen.«
»Soweit wir das beurteilen können, hat er sich so gut wie möglich von allem anderen abgekapselt. Sein Handykonto bei Verizon war bereits bis Dezember im Voraus bezahlt, darunter zahlreiche unbenutzte Freiminuten, aus welchem Grund auch immer. Seine eine Kreditkarte, Visa, ruht völlig.«
»Nun, er hat ja auch eine Million oder so zur freien Verfügung«, warf Sampson ein.
»Er hat nur ein paar Sachen aus seinem Haus mitgenommen«, sagte Mills. »Das Telefon, seinen Geldbeutel, ein paar Sachen zum Anziehen. Nicht, dass er allzu viel gehabt hätte. Er hat ein ziemlich einfaches Leben geführt. War weitgehend Selbstversorger.«
»Klingt eigentlich nicht wie ein typischer Handybesitzer«, sagte ich.
»Es sei denn, die einzige Alternative besteht darin, eine Telefonleitung aufs Grundstück verlegen zu lassen«, meinte Mills. »Ich glaube aber kaum, dass er viel damit telefoniert hat.«
»Tja, irgendjemand hat es benutzt.« Patel warf einen Blick auf die Verbindungsliste, die vor ihr auf dem Schreibtisch lag. »Gestern um 14.10 Uhr.«
»Irgendjemand?«, schaltete sich Christopher Forrest ein. »Haben Sie einen Grund anzunehmen, dass er es nicht selbst war?«
»Nein, das nicht. Wir haben nur keinen eindeutigen Beweis dafür, dass er es wirklich selbst war.«
»Wäre aber wirklich ein Riesenzufall«, meinte Mills. »Finden Sie nicht auch?«
» Doch, doch. « Patel klang ein kleines bisschen angefressen. Sie hinkten ihr immer hinterher. Außerdem hatte sie schon so viele Stunden am Stück gearbeitet, dass sie sie gar nicht mehr zählen konnte.
»Was gibt es noch über Bell zu erfahren?«, wollte Bree wissen. »Wann können wir ein Bild von ihm haben?«
»Kommt sofort«, sagte Forrest. »Ich hab’s gerade eben abgeschickt.«
Patel drückte ein paar Tasten und holte ein Bild von Bells in Montana ausgestelltem Führerschein auf den Bildschirm. Gleich darauf erschien es auch auf dem großen Bildschirm im Konferenzraum.
Ich konnte mich noch an die erste Begegnung mit seinem Bruder in Kalifornien erinnern. Damals war meine erste Assoziation Holzfäller gewesen, aber eher im kalifornischen Stil, eine Art Rock-and-Roll-Waldarbeiter, wie ein verschollenes Bandmitglied der Eagles. Tyler hingegen sah aus wie das Original. Die braunen Haare und der Vollbart wirkten zottelig, aber nicht ungepflegt. Im Führerschein wurde eine Größe von einem Meter neunzig bei einem Gewicht von 100 Kilogramm angegeben.
»Was meinst du, Bree? Erkennst du ihn wieder? Könnte er dein AP-Reporter sein?«
Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie den Führerschein an und ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. »So, wie er sein Aussehen verändern kann? Na klar, möglich wär’s. Der Reporter war ziemlich groß. Eins neunzig könnte schon hinkommen.«
»Was sagt dir dein Gefühl?«
Jetzt brauchte sie keine Pause. »Es sagt mir, dass wir den Täter, den wir suchen, gefunden haben. Und wie ich bereits sagte: Er ist dem Untergang
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