Dead End: Thriller (German Edition)
den fast hysterischen Zustand, in dem sie sie vorfanden, hatten sie überredet, zur Polizei zu gehen. Abgesehen von ein paar Kratzern und unbedeutenden blauen Flecken waren keinerlei Hinweise an ihrem Körper gefunden worden, und die medizinische Untersuchung, die die Polizei durchgeführt hatte, hatte keinen Aufschluss gegeben. Ohne eindeutige Anhaltspunkte hatte die Polizei den Fall nicht weiterverfolgen können.
Freya hatte sich sechs Wochen später im Schwimmbad der Universität ertränkt.
Evi griff über den Schreibtisch hinweg nach der Suizidliste. Freya Robin stand auch darauf.
Evi glich die beiden Auflistungen miteinander ab und brauchte nicht lange, um die Übrigen zu finden. Donna Leather, eine einundzwanzigjährige Medizinstudentin, hatte während ihrer Therapiesitzungen nie das Wort »Vergewaltigung« benutzt, doch genau wie Freya und Bryony hatte sie von bösen Träumen gesprochen, die oft sexueller Natur seien. Davon, dass sie morgens schlapp und verkatert sei, obwohl sie behauptete, sie hätte nichts getrunken. Von Schmerzen im Genitalbereich. »Fertiggemacht« war der Begriff, mit dem Donna beschrieben hatte, wie sie sich morgens manchmal fühlte, aber so, als seien es ihre eigenen Gedanken, die sie misshandelten. Donna war nicht zur Polizei gegangen. Sie hatte sich erhängt, zwei Monate nachdem sie zum ersten Mal über ihre Probleme gesprochen hatte.
Im selben Jahr hatte die Französischstudentin Jayne Pearson der Polizei von ihrem Verdacht hinsichtlich wiederholter Vergewaltigungen berichtet. Man hatte erhebliche Mengen von Ketamin in ihrem Blut gefunden, obgleich sie geschworen hatte, sie hätte das Zeug nie genommen. Unglücklicherweise wurden keine eindeutigen physischen Beweise für eine Vergewaltigung gefunden. Jayne war später im selben Jahr an den Folgen eines Kopfschusses gestorben. Der vierte und letzte ähnliche Fall, den Evi fand, war der von Danielle Brown, einer Medizinstudentin am Clare College. Danielles Behauptungen waren inzwischen nur allzu vertraut. Schlechte Träume, Schlafstörungen und undeutliche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch, während sie geschlafen hatte. Danielle hatte drei Tage vor den Weihnachtsferien versucht, sich zu erhängen, war jedoch gefunden worden, bevor sie erstickt war.
Der Bildschirm schaltete in den Energiesparmodus, doch Evi bemerkte es nicht.
Einschließlich Bryony waren das jetzt fünf mögliche Vergewaltigungsfälle in fünf Jahren. Statistisch gesehen war das an und für sich nicht bemerkenswert. Aber wenn man die Tatsache mit einbezog, dass alle fünf Frauen kurz darauf versucht hatten, sich das Leben zu nehmen, dann kam einem dieser Zufall allmählich ein wenig seltsam vor.
Von: DC Lacey Flint
Betreff: Einsatzbericht 1
Datum: Dienstag, 15. Januar, 22 Uhr 22
An: DI Mark Joesbury, Scotland Yard
Es ist jetzt zwanzig nach zehn, Sir. Ich habe so viel Kaffee getrunken, dass ich total unter Strom stehe, und genug Mineralwasser, um die ganze Nacht auf dem Klo zu verbringen. Ich bin von neunzehnjährigen Strebertypen angebaggert worden, die es mit hohen Absätzen gerade mal auf eins fünfundsechzig bringen, und von besoffenen Sportlern, die glauben, Männerschweiß sei ein starkes Aphrodisiakum. Und von einer wasserstoffblonden Lesbe, die mit Abstand die Netteste von allen war. Noch viele solcher Abende, und ich versuch’s vielleicht doch mal am anderen Ufer.
Ich hörte auf zu tippen. Ich war gerade dabei, mich am ersten Abend auszuheulen, aber … Grundgütiger, keine Stunde nachdem ich mein Zimmer verlassen hatte, hätte ich Joesbury mit Vergnügen ein Nylonseil um den Hals geschlungen und es stramm gezogen. Der Gedanke, dass ich vielleicht noch drei Monate würde so weitermachen müssen, reichte aus, um Selbstmordgedanken in mir aufkommen zu lassen. Ich war von der Bibliothek ins Fernsehzimmer gewandert und von da ins Café und in den Pub. Ich war überall gewesen, wo ich Studenten antreffen konnte. Ich hatte den ganzen Tag Smalltalk gemacht und nichts herausgefunden.
Jetzt lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück, reckte mich und drehte den Kopf erst zur einen und dann zur anderen Seite. Eine glänzende blaue Jacke hing über dem Schreibtisch gegenüber, und ein schwacher blumiger Duft erinnerte mich an die Existenz meiner Mitbewohnerin. Okay …
Evi Oliver ist sehr klug und nimmt ihren Job bestimmt sehr ernst, aber sie wirkt nervös und verspannt. Hat meiner Meinung nach selbst Schwierigkeiten und könnte durchaus der Typ sein, der ein
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