Dead End: Thriller (German Edition)
Mund gelegt.
»Ist nichts Besonderes«, nutzte ich meinen Vorteil. Ich hatte auf Nicoles Facebook-Seite alles über Flick gelesen, über ihren bevorstehenden zwanzigsten Geburtstag und ihre Vorliebe für prickelnde Getränke aller Art. »Bloß Prosecco, aber ein ziemlich guter.«
Ich holte drei Flaschen aus meinem Rucksack; ich hatte sie auf dem Weg hierher im Supermarkt gekauft und darauf geachtet, dass sie gekühlt waren. »Wenn ihr sehen könntet, dass Flick die bekommt, das wäre toll«, fuhr ich fort und setzte zum Todesstoß an. »Ich lasse euch dann jetzt mal in Ruhe. Entschuldigt, dass ich so von der Rolle bin. Ich stehe wohl immer noch unter Schock.«
»Möchtest du einen Kaffee?«, erkundigte sich eine der jungen Frauen. Ich tat so, als wäre ich überrascht, und machte den Mund auf, um das Angebot anzunehmen.
»Ich weiß was Besseres«, verkündete Flick. »Hat mal jemand Gläser?«
Evi legte den Hörer auf und rechnete halb damit, dass es gleich wieder klingeln würde. Der Sergeant, mit dem sie gesprochen hatte, war höflich, aber distanziert gewesen. Er hatte gesagt, sie solle sich die Anzahl und den jeweiligen Zeitpunkt der Anrufe notieren und die E-Mails an ihn weiterleiten. Davon, dass er jemanden vorbeischicken könnte, hatte er nichts gesagt.
Sie stand auf und ging in die Küche. Wenn jemand sie von draußen beobachtete, dann würde er im Garten sein. Rasch ging sie zur Tür und vergewisserte sich noch einmal, dass sie abgeschlossen war. Sie musste wirklich Rollos an den Küchenfenstern anbringen lassen.
»Ich habe Sie schon mehr als einmal Lila tragen sehen, Dr. Oliver«, hatte der Sergeant zu ihr gesagt. »Ist ein bisschen Ihre Lieblingsfarbe, nicht wahr? Könnte einfach geraten gewesen sein. Schicken Sie mir die Mails, wir schauen sie uns mal an. Ich würde mir aber keine allzu großen Hoffnungen machen. Wenn die von einem öffentlichen Gebäude verschickt worden sind, mit einem anonymen Gmail-Account, dann gibt’s nicht viel, was wir tun können.«
Evi setzte sich in ihren Treppenlift und drückte auf den Knopf. Die Polizei würde nicht kommen, und irgendjemand musste oben nach dem Rechten sehen. Sonst würde sie nie schlafen können. Zehn Minuten später klingelte das Telefon wieder. Fast hätte sie nicht abgenommen.
»John Castell hier, Evi«, verkündete die tiefe Stimme mit dem schwachen Norfolk-Akzent. »Der diensthabende Sergeant hat mich gerade zu Hause angerufen und mir von Ihren E-Mails erzählt. Schicken Sie uns die heute Abend noch zu?«
»Die habe ich doch schon vor einer Viertelstunde geschickt«, erwiderte Evi.
»Wirklich? Ich habe vor noch nicht mal zwei Minuten bei ihm nachgefragt. Moment, ich checke das noch mal.«
Eine kurze Pause entstand, in der Evi zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte.
»Nein, nichts«, meldete sich Castell wieder. »Können Sie versuchen, die Dinger direkt an mich zu schicken?«
»Ich probier’s.« Evi öffnete ihren Posteingang und ging mit dem Cursor ganz nach oben auf der Liste. Die beiden E-Mails waren nicht mehr da. Sie klickte »Junkmail«, »Persönlich« und den Papierkorb an, für den Fall, dass sie sie aus Versehen gelöscht oder irgendwo abgelegt hatte. Nichts. Schließlich klickte sie auf »Gesendet«. Überhaupt nichts.
Die E-Mails waren von ihrem Computer verschwunden.
Zwei Flaschen Prosecco später zogen wir aus der Küche in Flicks Zimmer um. Es war Schlaf- und Arbeitszimmer in einem, mit einem großen Schreibtisch und einem schmalen Bett. Eine rote Kletterpflanze schlängelte sich durchs offene Fenster herein. Flick hatte mir den einzigen Stuhl angeboten, zwei weitere waren aus benachbarten Zimmern herbeigeschafft worden. Flick und ein Mädchen namens Sarah lagen auf dem Bett.
»Ich weiß, es ist normal, dass man sich wünscht, man hätte mehr getan«, sagte ich, während um mich herum mitfühlende Gesichter nickten. »Als ich Nicole das letzte Mal gesehen habe, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmt, aber ich hatte es eilig. Ich dachte, wir können ja darüber reden, wenn wir uns das nächste Mal sehen.«
»Wir denken immer, wir hätten mehr Zeit«, bemerkte Flick.
»Aber ich hab’s einfach gewusst«, fuhr ich fort. »Ich hab gewusst, dass irgendwas nicht in Ordnung war. Hat sie zu einem von euch irgendetwas gesagt?«
»Wie denn nicht in Ordnung?«, wollte Sarah wissen.
»Ich bin nicht weiter drauf eingegangen«, gestand ich. »Aber sie hat ein paarmal gesagt, sie glaubt, dass jemand nachts in ihr Zimmer gekommen
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