Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead End: Thriller (German Edition)

Dead End: Thriller (German Edition)

Titel: Dead End: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
worden, und das geschlossene steinerne Treppenhaus sah so alt aus, dass ohne Weiteres Efeu an der Innenseite der Mauern hätte wuchern können. Als ich die Stufen hinaufstieg, ließ ich den Geruch von Holzrauch und gekochtem Essen hinter mir zurück. Stattdessen roch es nach frischer Wäsche, benutzten Handtüchern, Kosmetika und feuchten Sportsachen. Es war der Geruch der Jugend, mit einem femininen Unterton.
    Nachdem dem Telefonat mit Stenning hatte ich auf der Website der Universität »Scott Thornton« als Suchbegriff eingegeben, wobei mir klar geworden war, dass irgendetwas an dem Namen mir bekannt vorkam. Ich fand heraus, dass er zur medizinischen Fakultät gehörte und ein Mitglied von St. John’s war. Außerdem war er ein ehemaliger Cambridge-Student, er hatte vor fünfzehn Jahren hier Medizin studiert. Das war wahrscheinlich alles, was ich fürs Erste zu wissen brauchte. Ich konnte mich noch immer nicht erinnern, wo ich den Namen schon einmal gehört hatte, doch wenn das wichtig war, würde es mir schon wieder einfallen. Dringlicher war es, etwas mehr über Nicole Holts letzte Tage in Erfahrung zu bringen. Die Reifenspuren, die ich in der Nähe der Stelle gefunden hatte, wo sie gestorben war, ließen mir keine Ruhe.
    Der Zimmerplan am Fuß der Treppe hatte mir verraten, dass Nicole Zimmer 27 bewohnte. Eine rosafarbene Blume, die neben ihrem Namen an den Plan gepinnt worden war, wies darauf hin, dass das eigentlich nicht mehr der Wahrheit entsprach.
    Nicoles Zimmer war nicht zu übersehen, als ich die Tür zum Flur aufstieß. Kegel aus Zellophan, in deren Mitte irgendwo Blumen steckten, lehnten davor an der Wand. Karten waren an die Tür gepinnt, adressiert an Nicole, gelegentlich auch an Nicky. Irgendwann in den nächsten Tagen würden ihre Eltern sie vielleicht abnehmen, sie möglicherweise sogar lesen, wenn sie es ertragen konnten.
    Am Ende des Flurs waren weibliche Stimmen zu hören. In der Gemeinschaftsküche reichten vier Mädchen, die gerade dabei waren, Kaffee zu machen, eine Milchflasche herum. Ich blieb in der Tür stehen und wartete darauf, dass eine von ihnen mich bemerkte.
    »Hi«, sagte ich gleich darauf. »Tut mir wirklich leid, euch zu stören.«
    »Kein Problem«, antwortete eine der vier. »Hast du dich verlaufen?«
    »Nein«, sagte ich. »Eigentlich bin ich wegen Nicole hier.« Das war der schwierige Teil. Hier musste ich Gefühle für eine Tote vortäuschen, der ich nie begegnet war, und das vor intelligenten jungen Frauen, die vielleicht wirklich mit ihr befreundet gewesen waren. Ich schlug die Augen nieder und hob die Hand vor die Nase, wie um Tränen zu verbergen. Tränen, die gar nicht da waren. Offenbar wurde ich immer besser im Schauspielern, denn zwei der Mädchen waren vorgetreten. Eine hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt, die andere lotste mich zu einem Stuhl hinüber. Ich schniefte und merkte, dass mir doch die Tränen gekommen waren. Meine Augen hatten den größten Teil des Wegs hierher in der Kälte getränt, und jetzt liefen sie einfach über. Irgendetwas lag hier in Cambridge in der Luft, das es bemerkenswert leicht machte zu weinen.
    »Ist schon gut«, sagte das dritte Mädchen, dessen Augen jetzt ebenfalls feucht waren. »Wir sind alle total fertig. Studierst du auch Geschichte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kenne sie aus dem Blue«, sagte ich. »Ihr wisst schon, der Pub, wo sie gearbeitet hat.«
    Die vier nickten. Nicole hatte zwei Abende und einen Mittag in der Woche im Cambridge Blue gejobbt, einem Pub in der Gwydir Street. Auf Facebook waren Fotos davon gewesen und zahlreiche Bemerkungen. »Ich wollte nur sehen, ob’s einen Gedenkgottesdienst für sie gibt oder so was«, sagte ich. »Ich weiß, dass sie manchmal in die Kirche gegangen ist.« Noch etwas, das ich auf Facebook herausgefunden hatte.
    Die Mädchen sahen sich mit verdutzten Mienen an und zuckten die Schultern. Für einen Gedenkgottesdienst war es noch viel zu früh.
    »Außerdem hatte sie mich gebeten, ihr was zu besorgen«, fuhr ich fort und hob meine Tasche vom Boden auf. Der Inhalt klirrte sachte. »Ich kenne da jemand in einer Weinhandlung, und ich kriege das Zeug ganz billig. Sie hat gesagt, jemand namens Flick hätte bald Geburtstag und sie wollte sie überraschen.«
    Ich hatte Flick bereits erkannt, eine umwerfende Amazone, ungefähr eins achtzig groß und athletisch gebaut, mit langem nordisch-blonden Haar. Sie sah aus wie Éowyn aus Der Herr der Ringe, und sie hatte die Hand vor den

Weitere Kostenlose Bücher