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Dead End: Thriller (German Edition)

Dead End: Thriller (German Edition)

Titel: Dead End: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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roten Hakennase. Nur die Augen sahen aus wie die eines Menschen.

40
    Zu meiner Überraschung saß Talaith in unserem gemeinsamen Wohnzimmer, als ich zurückkam, den winzigen Hintern auf dem Sessel und die Füße vor sich auf ihrem Schreibtisch. Sie trug Schlafklamotten, und nach der relativ ruhigen Hand zu urteilen, mit der sie sich die Zehennägel schwarz lackierte, war sie nüchtern. Ihr Haar hatte nicht ganz den Lilaton, den ich von gestern Abend her in Erinnerung hatte. Mehr Rot, weniger Blau, ein bisschen mehr pflaumenfarben. Sie wedelte mit einem Becher in meine Richtung. »Kaffee?«, bot sie an. »Ist Instantkaffee, aber ich bin mal wieder pleite, wie üblich.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich mach das schon. Du verschmierst dir sonst nur alles.«
    Während ich den Wasserkessel füllte, einen Becher auftrieb und Instantkaffee hineinlöffelte, vollendete Talaith ihr Kunstwerk, hob die Füße vom Tisch und wackelte mit den Zehen, wobei sie sich ausschließlich mit den Bauchmuskeln im Gleichgewicht hielt. Ganz bestimmt war sie nüchtern. Kein Betrunkener hätte das geschafft.
    »Heute hat mich jemand nach Bryony gefragt«, meinte ich, nachdem wir die üblichen Nettigkeiten darüber ausgetauscht hatten, wie unser Tag verlaufen war. »Das muss ja echt krass für dich gewesen sein.«
    »Für sie war’s schlimmer«, erwiderte Talaith. Ich neigte zustimmend den Kopf. Dem konnte man schwer widersprechen.
    »Weißt du, wie’s ihr geht?«, erkundigte ich mich.
    »Heute ging’s ihr besser«, antwortete Talaith. »Ich hab sie besucht. Ich glaube, sie hat mich erkannt. Die Schwester, die gerade reinkam, hat gesagt, sie denken, sie schafft es.«
    Etwas in Talaiths Gesicht ließ mich glauben, dass das nicht unbedingt eine gute Nachricht war.
    »Sie wird doch fürchterlich entstellt sein«, versuchte ich es.
    Talaith schüttelte den Kopf. »Damit kommt sie auf keinen Fall klar. Vorher war sie bildschön und ist nicht klargekommen. Nimm jemandem wie Bryony ihr gutes Aussehen weg, und ihr bleibt nichts mehr.«
    »Klingt ganz schön hart«, bemerkte ich.
    »Stimmt aber«, beharrte Talaith. »Du würdest es nicht glauben, wie viel Zeit sie auf ihr Äußeres verwendet hat. Oder wie viel Kohle. Sie war total paranoid von wegen Falten. In ihrem Alter sind die meisten Mädchen doch einfach nur froh, dass sie keine Pickel mehr haben.«
    »Bin mir nicht sicher, ob’s bei mir schon so weit ist.«
    »Auf sämtlichen Fotos, die sie dabeihatte, war sie selbst drauf«, fuhr Talaith fort. »Keine Verwandten, Kumpels, Freunde, nur sie. Und das waren alles solche gekünstelten Studiofotos, du weißt schon, mit Weichzeichner und tonnenweise Make-up. Manchmal habe ich sie dabei ertappt, wie sie sich einfach nur im Spiegel angeglotzt hat.«
    »Hört sich an, als hättet ihr euch nicht besonders gut verstanden«, stellte ich fest.
    Talaith zuckte die Achseln und trank Kaffee. Meiner war immer noch zu heiß. »Zuerst war sie gar nicht so schlimm«, meinte sie. »Ein bisschen überempfindlich und unsicher. Eine Mimose, hätte meine Mutter gesagt, aber um ganz ehrlich zu sein, viele hier sind so.«
    »Wirklich?«
    »Gott, ja. Wenn du mal überlegst, unter was für einem Druck wir alle stehen, es auf eine anständige Uni zu schaffen, geschweige denn hierher, dann ist es ein Wunder, dass wir nicht alle komplette Psychos sind, wenn wir hier aufschlagen. Bryony hatte schon was im Kopf, aber sie war kein Genie. Ich glaube, sie ist ihr ganzes Leben lang gecoacht und gepäppelt und gepusht worden. Allerdings nicht allzu schlimm, nicht schlimmer als viele andere.«
    »Und was ist dann schiefgegangen?«, wollte ich wissen.
    Pflaumenfarbenes Haar tanzte, als Talaith den Kopf schüttelte. »Ich weiß es nicht. Ich war nicht oft hier; ich hab mich amüsiert, und es war ja klar, dass wir keine Seelenfreundinnen sein würden. Am Schluss war sie dann aber echt ein bisschen abgedreht.«
    Abgedreht? Nicole war laut ihren College-Freundinnen auch abgedreht gewesen. Oder wie hatten sie es genannt? Voll komisch.
    »Inwiefern abgedreht?«, fragte ich.
    Talaith sah aus, als wüsste sie nicht recht, wie viel sie erzählen sollte. »Sie hat schlecht geträumt.«
    Das klang nicht allzu schlimm, bis mir wieder einfiel, dass auch Nicole Holt Albträume gehabt hatte, kurz bevor sie sich umgebracht hatte. »Dass sie plötzlich nackt in der Buttery steht? Oder dass eklige blaue Leguane aus den Wänden gekrochen kommen?«
    »Na ja, das ist es ja gerade, sie wollte es mir nicht

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