Dead End: Thriller (German Edition)
zwei Kilometer. Aus dieser Richtung konnte ich ein sehr viel älteres Ziegelgebäude erkennen. Es sah aus, als stamme es aus der viktorianischen Zeit und stünde leer. Wie eine alte Fabrik oder möglicherweise auch eine Gießerei.
Dann geschah es. Im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel, das Allerletzte, womit ich gerechnet hätte. Eben rannte ich noch dahin und merkte, dass ich langsamer geworden war und dass mir der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinabrann. Und dann ertönte völlig überraschend ein hohes Kreischen. Irgendein Instinkt ließ mich aufblicken. Ungefähr hundert Meter vor mir flog ein großer Vogel in geringer Höhe direkt auf mich zu.
Zuerst war ich nicht allzu erschrocken, doch als der Vogel näher kam und dabei die ganze Zeit schrie, merkte ich, wie ich meine Schritte verlangsamte, als wolle ich den Moment aufschieben, in dem wir aufeinandertreffen würden. Ich schaute hoch, gerade als er über mich hinwegsauste, nahe genug, dass ich gesprenkeltes braunes Brustgefieder sehen konnte. Er hatte eine Flügelspanne von etwa einem Meter und schuppige gelbe Klauen.
Ich fuhr herum und rechnete damit, den Vogel davonfliegen zu sehen. Das tat er auch, aber nicht lange. Jetzt war er schwerer zu sehen, weil er direkt aus der Sonne kam, doch es bestand kein Zweifel, dass er kehrtgemacht hatte und auf mich zuhielt.
Okay, was tut man jetzt? Man ist ein paar Kilometer von jeder Zuflucht entfernt, es ist niemand in der Nähe, und ein großer Greifvogel geht auf einen los. Gibt’s dafür irgendwelche Vorgaben? Ich hatte nämlich keine. Wohl wissend, wie dämlich es war, zu Fuß einen Vogel abhängen zu wollen, zumal einen großen, tat ich genau das. Ich spürte den Luftzug, der sogar eine Berührung hätte sein können, als das Tier abermals über mich hinwegschoss.
Was zum Teufel ging hier vor? Vögel greifen doch keine Menschen an. War ich an meinem Schreibtisch eingeschlafen und in einem Hitchcock-Film aufgewacht? Rasch blickte ich nach oben. Okay, ich brauchte einen Plan. Und zwar schnell. Zu meiner Linken war ein Drahtzaun, gut anderthalb Meter hoch, und dahinter ein Wald. Im Wald würde es dem Vogel ganz bestimmt schwerer fallen mich anzugreifen als auf freiem Feld.
Er kam zurück, flog jetzt tiefer, hielt genau auf mein Gesicht zu. Ich drehte ab und sprintete auf den Zaun zu. Der Vogel stieg höher, verharrte über mir in der Luft und kreischte die ganze Zeit wie eine unerlöste Seele. Die Bäume waren hoch, aber dünn. Zu meinem Glück standen sie sehr dicht beieinander, und ich glaubte wirklich nicht, dass der Vogel mich hier unten würde angreifen können.
Er konnte es nicht und versuchte es auch gar nicht. Aber so leicht gab er nicht auf. Über den Baumkronen konnte ich ihn immer noch kreischen hören, wahrscheinlich bezichtigte er mich in der Vogelsprache jeder nur erdenklichen Art der Feigheit.
Ich wand mich zwischen den Bäumen hindurch, duckte mich, um einem tief hängenden Ast zu entgehen, und kam nach etwa fünf Minuten auf eine kleine Lichtung. In der Mitte waren die Reste eines Lagerfeuers zu sehen. Jugendliche, die sich davongeschlichen hatten, um billigen Fusel zu trinken und zu kiffen, war meine erste Vermutung. Nur dass es keinerlei offensichtliche Anzeichen dafür gab, dass hier Teenager zugange gewesen waren. Teenager sind unordentlich, die machen nicht Party und gehen dann auf dem Nachhauseweg am Recyclingmüllcontainer vorbei. Und doch war hier nichts außer den verkohlten Überresten des Feuers.
Auf der anderen Seite der Lichtung war ein schmaler Pfad zu sehen, und ich hielt erleichtert darauf zu. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass der Weg beleuchtet war. Auf beiden Seiten standen in einem Abstand von etwa fünf Metern kleine Lampen. Bei hellerem Licht hätte ich sie kaum bemerkt, doch als das Tageslicht schwächer wurde, begannen sie zu schimmern. Es waren Solarlampen, denen bei mir zu Hause nicht unähnlich. Was bedeutete, dass sie an Solarzellen angeschlossen sein mussten. Ich ging zu dem Baum hinüber, der der Lampe, neben der ich stand, am nächsten war. Und tatsächlich, ein dünnes, isoliertes Kabel zog sich am Stamm nach oben, höher, als ich sehen konnte.
In einem Wald mitten in der Pampa Solarleuchten zu installieren war eine kostspielige Angelegenheit. Und wieso sollte man einen Pfad beleuchten, der zu einer Lichtung führte?
In der zunehmenden Düsternis war es schwer zu erkennen, doch ich hatte das Gefühl, dass ich allmählich das
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