Dead End: Thriller (German Edition)
glaube, ich hatte gehofft, so müsste ich ihre Augen nicht mehr sehen. Daraus wurde nichts. Sie drehte den Kopf, und diese blauen Augen waren abermals auf mich gerichtet.
Wie hatte ich jemals denken können, das hier wäre eine gute Idee?
»Wahrscheinlich fragst du dich, wer ich bin«, sagte ich und zwang mich, sie anzusehen. »Und die Wahrheit ist, ich weiß nicht genau, was ich dir sagen soll.«
Ihre wimpernlosen Lider schlossen sich kurz und öffneten sich dann wieder. Ich hatte keine Möglichkeit festzustellen, wie viel sie verstand, ob sie überhaupt etwas verstand. Wach mochte sie ja sein, aber trotzdem bekam sie bestimmt sehr starke Schmerzmittel.
»Ich kann dir nicht mal sagen, wie ich heiße«, fuhr ich fort, »weil ich dir meinen richtigen Namen nicht verraten darf. Und ich möchte dich nicht anlügen.«
Irgendetwas war in diesen Augen. Es hätte Neugier sein können. Es hätte Furcht sein können. Ich wollte ihr wirklich keine Angst machen.
»Wenn du möchtest, dass ich gehe«, sagte ich, »dann gehe ich. Ich weiß nicht, ob du sprechen kannst, aber wenn du ganz schnell mit den Augen blinzelst, dann ist das für mich das Zeichen, dass ich gehen soll. Okay?«
Ich hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, doch Bryony bewegte den Kopf auf und ab.
»Ich wohne in deinem Zimmer«, sagte ich. »Mit Talaith. Aber ich bin keine Studentin. Ich tue nur so, als wäre ich eine.«
Was zum Teufel tat ich da? Wenn Bryony irgendeine Möglichkeit hatte, mit anderen Menschen zu kommunizieren, hatte ich gerade alles versaut. Ich hatte meine Tarnung auffliegen lassen, hatte den Fall vor die Wand gefahren und war wahrscheinlich im Begriff, die Genesung dieses Mädchens zu gefährden.
»Ich bin hier«, fuhr ich fort und wusste, dass ich nicht mehr zurückkonnte, »weil sich die Leute Sorgen machen. Sie glauben, irgendjemand tut Studenten etwas an. Vielleicht nicht direkt, vielleicht ist das Ganze ja sehr subtil, aber gefährlich ist es trotzdem.«
Bryony hob die rechte Hand vom Bett. Sie war dick verbunden. Sie drückte Daumen und Zeigefinger gegeneinander und wedelte mit der Hand in der Luft herum.
»Was ist denn?«, fragte ich. »Brauchst du irgendwas? Soll ich die Schwester holen?«
Sie ließ die Hand aufs Bett zurückfallen. Ihr Atem war schneller geworden, ihre Brust hob und senkte sich unter der Bettdecke. Trotz allem, was Nick mir gestern über Sedativa erzählt hatte, schien sie Schmerzen zu haben.
»Entschuldige«, sagte ich. »Ich möchte dich wirklich nicht aufregen, und ich gehe sofort, wenn du mich darum bittest.«
Ich hielt inne und wartete auf das rasche Blinzeln, das mein Zeichen sein würde, mich vom Acker zu machen. Halb hoffte ich darauf, es zu sehen. Sie sah mich einfach nur an. Wartete.
»Okay, die Sache ist folgende«, erklärte ich und wollte es jetzt nur noch hinter mich bringen. »Ich hab deine Therapieunterlagen gelesen, und ich weiß, was deiner Meinung nach nachts in deinem Zimmer abgelaufen ist. Außerdem weiß ich, dass mindestens vier andere Studentinnen gesagt haben, ihnen sei etwas ganz Ähnliches passiert.«
Ihre Augen schienen größer zu werden.
»Vier junge Frauen haben von Albträumen erzählt, dass jemand nachts in ihr Zimmer käme. Sie haben davon gesprochen, dass sie vergewaltigt worden seien. All das, was dir auch passiert ist.«
Ihre Augen wichen nicht eine Sekunde von meinen.
»Bryony«, sagte ich, »hast du eine Ahnung, wer oder was da in dein Zimmer gekommen ist?«
Bryony schloss die Augen und bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen. Es dauerte mehrere Sekunden, bis sie die Augen wieder öffnete. Das hier strengte sie an.
»Danke«, sagte ich. »Dann lass ich dich jetzt mal in Ruhe.«
Ihr rechter Arm hatte sich wieder von der Bettdecke gehoben. Zeigefinger und Daumen gegeneinandergepresst, fuhr sie mit der Hand durch die Luft.
»Ich hole die Schwester«, sagte ich.
Auf dem Weg zur Tür ließen mich drängende Laute von dem Bett hinter mir wie angewurzelt stehen bleiben. Laute von der Sorte, wie man sie von sich gibt, wenn man nicht sprechen kann, aber unbedingt irgendein Geräusch machen will. Ich drehte mich um. Bryony hatte sich halb aufgerichtet. Noch immer machte sie diese komischen zuckenden Bewegungen mit der Hand. Dann siegte die Erschöpfung, und sie sank wieder aufs Bett zurück und stöhnte leise. Ich ging zur rechten Seite des Zelts, zu den Schlitzen, durch die die Schwestern an sie herankommen konnten. Unter dem, der ihrer Hand am
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