Dead End: Thriller (German Edition)
weggehen. Ich steckte das Handy weg und ging zurück ins Wohnzimmer. Evi schien sich nicht von der Stelle gerührt zu haben.
»Neunzehn Studenten sind tot«, sagte ich. »Ich bin Polizeibeamtin und führe eine offizielle Untersuchung durch. Und Sie sind denen gegenüber, die als Nächste auf der Liste stehen, verpflichtet, mir zu sagen, was Sie wissen.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Ich ließ ihr Zeit. Dann:
»Sagen Sie mir noch mal, was Sie alles brauchen.«
53
Eine Stunde später sah Evis Arbeitszimmer aus wie eine Einsatzzentrale. An einer der narzissengelben Wände hatte Laura endlose Zettel angepinnt. Namen von Studenten, mit dickem Filzstift geschrieben, getippte Seiten mit den Namen der Colleges, dem Alter der Opfer, ihrer psychiatrischen Vorgeschichte. Fotos aus Zeitungen, Studentenakten und sogar von Facebook. Sämtliche Zeitungsberichte über die Selbstmorde, die sie hatten finden können, waren hinzugefügt worden. Zum ersten Mal wurde Evi das ganze Ausmaß des Problems klar.
Neunundzwanzig Cambridge-Studenten, die in den letzten fünf Jahren versucht hatten, sich das Leben zu nehmen, starrten auf sie herab. Nur zehn davon, angefangen mit Danielle Brown vor fünf Jahren bis zu Bryony Carter vor gerade mal ein paar Wochen, waren noch am Leben. Fünf der Frauen auf der Liste hatten geglaubt, vergewaltigt worden zu sein, mehrere hatten von Albträumen mit sexuellen Tendenzen gesprochen.
»Zu viele Frauen«, sagte Evi halblaut. »Das widerspricht sämtlichen Statistiken.«
Auf Lauras Laptop war eine Tabelle mit exakt denselben Informationen, und die beiden hatten unzählige Male versucht, Verbindungen zwischen den Opfern zu finden.
»Es gibt keine«, stellte Laura fest. »Die Colleges, auf denen sie waren, die Kurse, die sie belegt hatten, das ist alles völlig beliebig. Sie kommen aus ganz England, ein paar sind aus dem Ausland. Sie sind nicht alle im Segelclub oder bei den Young Tories. Es gibt nichts, was sie verbindet.«
»Siebzig Prozent hatten irgendwann schon einmal psychiatrische Probleme«, überlegte Evi. »Aber bei einer Gruppe von Selbstmördern würde man das sowieso erwarten.«
» HOLMES hätte vielleicht mehr Erfolg«, sagte Laura. »Das ist das Polizeisystem, von dem ich Ihnen erzählt habe. Wenn die sich alle mit neun die Ohren haben stechen lassen, dann kriegt er das raus.«
»Na ja, unmöglich ist das nicht«, meinte Evi. »Da sind eine Menge hübsche Mädchen dabei. Ein schrecklicher Jammer.«
Laura war einen Schritt zurückgetreten, um die ganze Wand besser im Blick zu haben.
»Nicht dass es weniger traurig wäre, wenn ein unattraktives Mädchen sich umbringt«, setzte Evi hastig hinzu.
»Ich hab’s«, murmelte Laura vor sich hin.
»Was denn?«
Laura war wieder näher an die Wand herangetreten, ging von einem Foto zum nächsten.
»Ich glaube, ich habe eine Verbindung gefunden«, sagte sie. »Schauen Sie mal.« Sie nahm ein Foto von der Wand und hielt es Evi hin. »Olivia Cutler, Chemiestudentin im vierten Semester. Churchill College.«
Evi blickte auf das Bild einer übergewichtigen jungen Frau mit strähnigem Haar hinab. Laura hatte zwei weitere Fotos abgenommen. »Anita Hunt«, sagte sie. »Russischstudentin, erstes Semester. Hat ein bisschen ein Pferdegesicht, finden Sie nicht? Und Helen Stott, Linguistik. Hätte dringend was wegen ihrer Haut unternehmen sollen.«
»Laura, was …«
»Rebecca Graham, Englischstudentin, die war auch nicht gerade eine Schönheit«, fuhr Laura fort. »Damit wären die vier Hässletten abgehakt. Moment, lassen Sie mich noch die Jungen ausmerzen. Und jetzt schauen Sie sich mal die restlichen Mädchen an.«
Neunzehn Fotos waren noch übrig. Judith Creasey, eine bildhübsche blonde Studentin der Ingenieurswissenschaft aus dem Churchill College, die sich selbst erstickt hatte. Kate George aus Peterhouse, mit glänzendem schwarzen Haar und funkelnden Augen, die sich in eine Badewanne gelegt und einen Föhn ins Wasser geworfen hatte. Sarah Treen, Magdalene College, ein wunderschönes schwarzes Mädchen mit schimmernder Haut und geflochtenem Haar, das vor einen Zug gesprungen war. Jedes Foto an der Wand zeigte eine schlanke, attraktive junge Frau.
»Ich glaube, er steht auf hübsche Mädchen«, meinte Laura.
54
»Er«, fragte Evi. »Wir haben es mit einem Er zu tun?«
»Überlegen Sie doch mal«, erwiderte ich. »Wenn Ihre erste Theorie stimmen würde, wenn es da draußen Websites gäbe, wo gefährlich Gestörte Kontakt zu
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