Dead End: Thriller (German Edition)
ernsthaft Depressiven aufnehmen und sie dann nur so aus Spaß dazu verleiten, sich etwas anzutun, wie groß sind die Chancen, dass fast siebzig Prozent davon sehr hübsche Frauen sind?«
»Na ja, klein«, gab Evi zu. »Sie glauben, diese Mädchen sind gezielt ausgesucht worden?«
»Nicht nur klein«, erwiderte ich, »sondern verschwindend gering. Was mir nicht ganz klar ist, ist, wie weit gehen die? Wenn das Opfer nicht springen will, wird es dann gestoßen?«
»Jetzt mal langsam, Laura. Die Kriminalpolizei hat all diese Todesfälle untersucht«, wandte Evi ein. »Wenn irgendetwas darauf hinweisen würde, dass es etwas anderes als Selbstmord war, dann hätten sie das doch bestimmt gefunden.«
»Sollte man hoffen«, meinte ich und dachte an die zweiten Reifenspuren am Schauplatz von Nicoles Tod.
»Ihre Vorgesetzten«, sagte Evi. »Die, die Sie hergeschickt haben. Haben die angedeutet, dass wir es vielleicht nicht mit Selbstmorden zu tun haben?«
»Nicht eine Sekunde«, antwortete ich.
»Fast zweihundert Leute haben gesehen, wie Bryony sich angezündet hat«, gab Evi zu bedenken.
»Nein, sie haben gesehen, wie sie brennend in den Saal gestolpert gekommen ist.«
Evis hellhäutiges Gesicht wurde sichtlich blass. »Großer Gott, Laura, Sie denken doch nicht etwa …«
»Im Moment weiß ich nicht, was ich denken soll. Aber selbst wenn sie das Streichholz selber angerissen hat, sie war doch total high von irgendeinem starken Halluzinogen.«
Evi ging hinter ihren Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte eine Akte heraus. »Sie haben recht. Extrem hohe Rückstände von Dimethyltryptamin in Bryonys Blut«, stellte sie nach kurzem Suchen fest. »Blut und Urin wurden kurz nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus untersucht. Das übliche Vorgehen.«
»Ich weiß nur sehr wenig über halluzinogene Drogen«, meinte ich. »Können die einen dazu bringen, Dinge zu tun, die man normalerweise nicht machen würde?« Im Rahmen meiner Ausbildung hatte ich Basiskurse zu den meisten üblichen Straßendrogen absolviert, das taten alle Polizisten. Aber da ich nie fürs Drogendezernat gearbeitet hatte, waren meine Kenntnisse über andere verfügbare Substanzen und ihre Wirkung ziemlich dürftig.
Evi nickte. Sie hörte mir nur halb zu; sie las noch immer in Bryonys Akte.
»In ihren Therapieaufzeichnungen steht nichts von Drogenkonsum«, stellte sie fest. »Wir fragen immer, ob der Student Erfahrung mit Drogen hat.«
»Die Utensilien zum Rauchen sind in ihrem Zimmer gefunden worden«, bemerkte ich.
Evi schaute auf und blinzelte. »Sie hat das Zeug geraucht?«
»Laut dem Polizeibericht schon«, erwiderte ich. »Nach dem, was ich gelesen habe, macht man das normalerweise so.«
»Ich habe den Polizeibericht nie zu sehen bekommen«, sagte Evi, und ihr Blick senkte sich wieder auf die Akte. »Das ist ja erschreckend.«
»Was?«
»Nun, zwei Dinge. Erstens ist das eine sehr hohe Wirkstoffkonzentration, um durch Inhalation zustande gekommen zu sein. Bei so einer Menge würde ich davon ausgehen, dass sie intravenös verabreicht worden ist.«
»Die Kollegen haben einen Tabakkopf und eine Pfeife gefunden, keine Spritze«, meinte ich.
Wir überlegten beide einen Moment. Ich wollte das Wort »Inszenierung« nicht aussprechen, doch es lag mir auf der Zunge. Vielleicht hatte ja jemand gewollt, dass es so aussah, als hätte Bryony freiwillig Drogen genommen, und nur die Details nicht ganz richtig hinbekommen.
»Wäre diese Diskrepanz bei einer Obduktion nicht aufgefallen?«, fragte ich.
Evi nickte. »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.«
»Was noch?«, fragte ich. »Sie haben gesagt, Sie finden zwei Dinge erschreckend.«
»Bryony hat SSRI genommen«, sagte sie. »Das ist ein Antidepressivum, in derselben Medikamentenklasse wie Prozac. Das hätte Nick ihr nie und nimmer verschrieben, wenn er gewusst hätte, dass sie Halluzinogene nimmt. Also muss sie ihn angelogen haben und ziemlich überzeugend gewesen sein.«
Oder er hatte ganz genau gewusst, was er tat.
»Weil …«, hakte ich nach.
»Weil Halluzinogene sich mit bestimmten Antidepressiva ganz schlecht vertragen«, erklärte sie. »Wenn man die zusammen einnimmt, dann können sie eine dissoziative Fugue bewirken.«
»Bitte?«
Sie sah mich an. »Einen Zustand vorübergehender Amnesie. In dem der Betreffende vollkommen vergisst, wer er ist, und umherirrt. Manchmal völlig verängstigt, manchmal auch in dem Glauben, er sei jemand ganz anders. Das kann Stunden
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