Dead End: Thriller (German Edition)
Gemeinschaftstoilette kommen.
»Hi«, sagte ich. »Kannst du mir vielleicht helfen? Ich bin wegen Jessica hier.«
»Neunzehn tote Frauen«, sagte Evi. »Bis Anfang nächster Woche könnten es zwanzig sein. Eine meiner Patientinnen ist seit Dienstagabend nicht mehr gesehen worden.«
Dr. Francis Warrener, der Gerichtsmediziner der Stadt Cambridge, hob eine Ecke seiner Serviette und tupfte sich den Mund ab. Er war von Evis Vorschlag, sich zum Mittagessen zu treffen, durchaus angetan gewesen und hatte interessiert geklungen, als sie gesagt hatte, er müsste ihr einen Gefallen tun. Jetzt bereute er es sichtlich, zugesagt zu haben. Tja, das war nicht zu ändern.
»Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die überregionale Presse diese Story bringt und einschlägige Fragen danach stellt, was wir hier zugelassen haben. Und bis ein paar Eltern allmählich in Prozessierlaune kommen«, sagte sie. »Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, Francis, aber wenn das passiert, dann möchte ich nichts versäumt haben.«
Francis Warrener war klein, schlank und schlau. Alle seine Bewegungen waren sauber und präzise. Er hatte dunkelbraune Augen, etwas, das bei einer Frau hübsch gewesen wäre, und sehr weiße Zähne. Er sprach nicht viel, doch jedes Wort, das er sagte, war präzise und sachbezogen. Vor ein paar Minuten hatte er aufgehört zu reden.
»Wissen Sie, welche Frage in Fällen wie diesen immer als Erstes gestellt wird?«, fragte Evi. »Hätte man nicht früher etwas unternehmen können? Wenn man mich das fragt, dann möchte ich nicht sagen müssen, na ja, eigentlich hab ich mir ja schon ein bisschen Sorgen gemacht, aber ich wollte niemandem vor den Karren fahren.«
Warrener nahm seine Gabel zur Hand, spießte eine Erbse auf und deponierte sie sorgsam in seinem Mund. Der größte Teil seines Essens befand sich noch auf seinem Teller und wurde schnell kalt. »Wenn Sie die Polizei von Ihren Sorgen in Kenntnis gesetzt haben«, meinte er, »dann haben Sie doch bestimmt alles getan, was Sie konnten.«
»Ja, das könnte vielleicht gerade eben so meinen Job retten«, erwiderte Evi. »Und wenn das nicht genug ist, dann wird es bestimmt auch helfen, dass ich mich mit Ihnen getroffen, Ihnen meine Bedenken unterbreitet und Sie gebeten habe, dem nachzugehen. Dass sowohl Sie als auch die Polizei mir gesagt haben, ich soll mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern, wird mich bestimmt entlasten, wenn’s eng wird.«
»Und mir den Schwarzen Peter zuschieben«, bemerkte Warrener.
»Im Großen und Ganzen ja.« Evi zwang ihre Wangenmuskeln in Lächelstellung. Sie wartete, während Warrener die Überreste seiner Hähnchenbrust an den Rand des Tellers schob und Messer und Gabel exakt in der Mitte ablegte.
»Warum schauen Sie nicht einfach mal nach?«, fragte Evi. Er tat ihr leid, aber nicht leid genug, um einen Rückzieher zu machen. »Wenn Sie die Berichte durchsehen und da nichts drin ist, was das, was ich sage, erhärtet, dann sagen Sie’s mir einfach. Ihr Wort reicht mir. Dann wird gegen keine Schweigepflichten und gegen keine beruflichen Regeln verstoßen.«
»Und wenn ich doch etwas finde?«, fragte er.
»Dann werden Sie sehr froh sein, dass Sie nachgeschaut haben«, erwiderte Evi und wusste, dass er es tun würde. »Und wenn Sie das auch nur annähernd für möglich halten, sollten wir keine Zeit verschwenden.«
Fast eine Stunde später hatte ich nichts Neues in Erfahrung gebracht. Außer dass es durchaus möglich ist, sich ernsthaft Sorgen um jemanden zu machen, dem man nie begegnet ist. Ich hatte erklärt, dass ich für Jessicas Therapeutin arbeitete, und ihre Freundinnen hatten nur zu gern geredet. Nach einer halben Stunde hatte ich das Gefühl, ich hätte sie selbst gekannt. Sie hatte Probleme, das war von dem Tag an offensichtlich gewesen, an dem sie im College angekommen war. Sie war zwanghaft um ihr Äußeres besorgt gewesen, besonders um ihre Figur, und hatte sich nichts in den Mund gesteckt, ohne sorgfältig den jeweiligen Kaloriengehalt zu überprüfen. Ein paar Leute hatten ihre Empfindsamkeit bemerkt und angefangen, sie zu schikanieren.
»Was für Leute?«, hatte ich gefragt.
Die Mädchen hatten einander angesehen und auf eine Inspiration gewartet.
»Das haben wir nie rausgefunden«, sagte die mit dem kurzen blonden Haar. »Die meisten hier scheinen einfach nicht der Typ für so was zu sein. Alle sind echt nett. ’ne Menge davon ist auf Websites abgegangen, du weißt schon, so was in der Art. Das ist ja total
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