Dead End: Thriller (German Edition)
Tatort angeschaut. Ein bisschen gründlicher als die hiesige Kriminalpolizei, ich habe nämlich Reifenspuren gefunden, die nicht von Nicole stammen können. Ich glaube, da war noch ein anderes Auto.«
Evi stellte ihren Becher auf den Tisch. »Laura, das geht mir zu schnell. Jessica und wie weiter?«
»Tut mir leid, da wurde kein Nachname genannt. Warum?«
Evi dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Ist wahrscheinlich gar nichts«, wehrte sie ab. »Sonst noch irgendetwas?«
»Vor fünf Jahren hat eine Frau versucht, sich zu erhängen, und ist dabei gefilmt worden. Das Video ist auf YouTube gelandet und fast eine Million Mal angeklickt worden, bevor es gelöscht wurde. Das passiert doch alles nicht von selbst, Evi. Irgendjemand inszeniert das.«
52
Einige Sekunden lang sagte Evi kein Wort. Über ihre Züge huschte ein Ausdruck, bei dem ich dachte, gleich würde sie mich bitten zu gehen, würde sagen, dass ihr das alles zu viel sei. Ich war ja auch weiß Gott ein bisschen mit der Tür ins Haus gefallen. Aber nach vier Tagen in dieser Stadt wusste ich, dass ich nicht länger ein desinteressierter Beobachter sein konnte.
Es war der Schrei gewesen, ging mir auf, der Schrei, den ich oben bei Nicks Farm gehört hatte. Es war egal, ob das nun eine jagende Eule gewesen war oder ob ein Fuchs ein Kaninchen gerissen hatte. Für mich hatte das Geräusch viel zu sehr nach einem menschlichen Schrei geklungen, als dass ich es vergessen könnte. Irgendetwas hatte Danielle, Nicole und Bryony Angst gemacht, irgendetwas machte Evi Angst, und Frauen, die in Cambridge Angst bekamen, neigten dazu, am Schluss draufzugehen.
Und dann sah ich, wie die zerbrechliche, nervöse Evi Oliver vor meinen Augen zu genau demselben Schluss kam. Sie schürzte die Lippen, ihre Augen wurden groß, und sie beugte sich vor.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte sie.
Keine Zeit für einen Seufzer der Erleichterung. »Gut, dass Sie fragen«, sagte ich. »Weil wir nämlich als Erstes aufhören müssen, im Blindflug zu operieren. Ich muss wissen, wer die Opfer waren. Ich brauche Namen.«
Wie erwartet, schüttelte sie den Kopf. »Laura, das ist vertraulich«, begann sie. »Ich kann auf keinen Fall …«
Ich ließ sie gar nicht erst in Fahrt kommen, sondern redete unbeirrt weiter. »Ich brauche Namen, Alter, Colleges, Kurse, Hobbys und Interessengebiete. Ich muss wissen, wie sie ausgesehen haben. Mit wem sie befreundet waren. Was für Medikamente sie genommen haben, wer ihr Hausarzt war. Wenn ich meinen Vorgesetzten erst mal dazu kriege, dass er sich dafür interessiert, dann kann ich wahrscheinlich dafür sorgen, dass das alles in das Suchsystem der Polizei eingegeben wird. Das findet blitzschnell Verbindungen und Beziehungen zwischen den Opfern, viel schneller als wir. Bis dahin müssen wir eben unser Bestes tun.«
Eine tiefe Furche hatte sich zwischen Evis Augenbrauen gegraben.
»Gibt es da nicht so eine Regel, von wegen, wenn Sie glauben, jemand ist gefährdet, dann dürfen Sie nicht nur gegen die Schweigepflicht verstoßen, sondern es wird sogar von Ihnen erwartet?« Da ich mit Evis Reaktion gerechnet hatte, hatte ich heute Morgen ein bisschen herumgegoogelt.
Sie antwortete nicht, und mir war klar, dass ich da eine Saite zum Klingen gebracht hatte.
»Die meisten, die mich interessieren, sind tot«, meinte ich. »Ich weiß, die Schweigepflicht erlischt nicht, aber das wäre doch ein mildernder Umstand.«
Evi sah richtig beklommen aus. Der Hund tappte zu ihr hinüber und warf mir einen bösen Blick zu. In diesem Moment verkündete das Piepsen meines Handys, dass ich eine SMS bekommen hatte. Ich entschuldigte mich und ging hinaus auf den Flur. Die SMS war von Joesbury.
Hänge ein paar Tage in London fest. Rufen Sie in dringenden Fällen an, sonst keinerlei elektronische Kommunikation. Ein paar Tage komme ich auch ohne abendliche Schmökerstunde aus. Ganz wichtig, keine Anrufe oder Mails an Evi Oliver, und begrenzen Sie den Kontakt auf ein Minimum. Ihre Computerdateien könnten kompromittiert sein. Keine dienstlichen Anrufe, SMS oder Mails an irgendjemanden. Warten Sie, bis ich mich melde.
Ich schloss die SMS . Nun, ich hatte Evi nicht angerufen oder ihr eine Mail geschickt, und dass ihr Computer kompromittiert war, darauf war ich bereits gekommen. Was das mit dem Kontakt auf ein Minimum begrenzen betraf, dafür war es ein bisschen spät. In Anbetracht des Durchbruchs, den ich gerade bei ihr erreicht hatte, würde ich hier nicht einfach
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