Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
Karte heraus. Zuerst hatte er auch wirklich vor, zum Hotel zurückzukehren, doch dann, als er losging, spürte er, wie etwas ihn unaufhaltsam in eine andere Richtung zog.
Alex setzte einen Fuß vor den anderen, den Kopf gesenkt, und starrte auf das Pflaster, es war, als hätten seine Füße einen eigenen Willen.
Bei jedem Schritt erinnerte er sich an Dirks grinsendes Gesicht und das bittere Gefühl, das seinen Körper durchzog wie eine Krankheit. Ihm tat alles weh.
Mit einem Mal blieb Alex stehen. Als er aufsah, stand er vor einem Geschäft. Er sah durch die Scheibe auf Regale voller Stoffballen, farbiger Knöpfe und Garnspulen.
Alex öffnete die Tür, über ihm schlug eine Klingel an. Die Frau, die im Laden bediente, schien zuerst überrascht, einen Teenager und dazu noch einen Jungen im Geschäft zu sehen, lächelte dann aber und sagte hallo.
Alex lächelte zurück und ging nach hinten in den Laden. Er schien genau zu wissen, was er suchte.
Vor ihm standen Rollen mit verschiedenen farbigen Bändern.
»Englisch?«, fragte die Frau, die zu ihm nach hinten gekommen war.
»Ja«, sagte Alex.
»Kann ich behilflich sein?«
»Ja«, sagte Alex. »Ich hätte gerne etwas von dem Band – dem dunkelblauen dort drüben.«
14
Als Alex wieder im Hotelzimmer war, nahm er die Maske in die Hand, fädelte die Bänder durch die seitlichen Ösen und verknotete sie.
Er tat dies mechanisch. Das bittere Gefühl beim Gedanken an Angelien und Dirk hatte sich in Taubheit verwandelt. Er fühlte nichts, er wusste nur, dass er das hier tun musste, und zwar jetzt, in dem Moment.
Alex hob die Maske vor das Gesicht und band sie hinter dem Kopf in einer Schleife zusammen. Die Maske lag kalt auf seiner Haut, als tauchte er das Gesicht in Eiswasser.
Er war überrascht, wie anders sie sich dadurch anfühlte. Sie vor das Gesicht zu halten war schon befremdlich genug gewesen. Sie aber umzubinden war, als gehöre sie dorthin, als wäre sie für ihn gemacht.Sie passte sich seiner Gesichtsform an, legte sich auf seine Züge, schmiegte sich kühl an Nase, Wangen und Stirn, bis er kaum mehr wusste, was Fleisch und was Maske war.
Die Sicht durch die Augenhöhlen war so dunkel wie eh und je, obwohl er sich schneller an den Unterschied gewöhnte. Auch sah er jetzt viel mehr.
Das Zimmer war nicht mehr sein Hotelzimmer, es war das Zimmer, in dem Hanna ihr Leben verbracht hatte. Es war nur spärlich möbliert, und Alex hatte den Eindruck, dass die Dunkelheit nicht nur von der Maske herrührte. Eine einsame Lampe spendete etwas Licht, ihr Schein reichte kaum bis zur anderen Zimmerseite.
Alex ging hinüber zum Fenster und zog den Vorhang auf – nicht den dünnen Vorhang seines Hotelzimmers, sondern einen schweren Vorhang aus Damast. Wieder hörte er sich selber atmen wie eine Art Hall. Oder war das Hanna? Hallte ihr Atem in seinem wider?
Alex blickte aus dem Fenster und sah die Kinder in einem Grüppchen auf der Straße stehen, sie starrten zu ihm hinauf, als hätten sie darauf gewartet, dass er ans Fenster käme.
Er ließ den Vorhang zurück vor das Fenster fallen, blendete sie aus. Aber die Erinnerung an ihre Gesichter blieb ihm vor Augen.
Alex wich rückwärts ins Zimmer, der schwere Vorhang bewegte sich noch leicht, als er sich die Maske vom Gesicht riss. Licht flutete in seine Augen, blendete ihn, so dass er blinzeln musste.
Er legte die Maske zurück auf die Kommode und starrte auf das Oval. Das Gesicht schien ihn ebenfalls zu betrachten, ein unergründliches, beinahe höhnisches Lächeln auf den Lippen. Alex setzte sich auf das Bett und legte das Gesicht in die Hände.
Alex hörte, wie sein Vater ins Nebenzimmer kam und erhob sich auf unsicheren Beinen vom Bett.
Er öffnete die Schublade und legte die Maske hinein, dann ging er zu der Verbindungstür.
»Hi«, sagte er, als er sie öffnete.
»Alex«, sagte sein Vater, der von ein paar Papieren auf seinem Schoß aufsah. »Ich dachte, du wärst noch mit Angelien unterwegs.«
»Nein«, sagte Alex. »Sie musste wohin, also bin ich ins Hotel zurück.«
»Ich hoffe, du wartest noch nicht allzu lang«, sagte sein Vater. »Saskia hat heute noch eine Konferenz. Sieht aus, als wären wir mal allein. Wollen wir zusammen etwas essen gehen? Wir beide? Nur zu zweit?«
Alex lächelte.
»Ja«, sagte er. »Das wär schon gut.«
Sie gingen in ein Restaurant an einem kleinen Kanal, Bäume säumten das Ufer, am Ende sah man aufeine bucklige kleine Brücke mit einem Kranz aus Fahrrädern, die an das
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