Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
»Du schienst mir nur ein wenig … «
»Mir geht es
gut
, Dad. Wirklich!«
Sein Vater nickte und nahm einen Schluck Kaffee.
»Also dann«, verabschiedete er sich. »Ich mach mich mal besser auf den Weg. Bleib ruhig noch sitzen und iss zu Ende.«
Alex’ Vater stand auf, legte seine Serviette auf den Tisch und ließ Alex am Tisch.
Alex saß da und starrte vor sich hin. Heute musste er Angelien wirklich sagen, was er gesehen hatte. Er musste sie irgendwie dazu bringen, ihm zuzuhören, ohne dass sie ihn für verrückt hielt oder noch schlimmer für einen infantilen Träumer.
Das Wichtigste war, nicht gleich mit allem rauszuplatzen. Dann würde es auf jeden Fall wahnsinnig klingen. Er musste sich Zeit lassen und ihr das Ganze ruhig und bedacht erzählen.
Angelien textete ihm zehn Minuten später, dass sie in der Lobby war, und Alex griff nach seiner Jacke und Tasche und ging zu ihr nach unten.
»Ich dachte, wir könnten heute vielleicht ins Van Gogh Museum gehen«, sagte Angelien, als sie das Hotel verließen. »Was meinst du? Magst du van Gogh?«
»Ja, klar«, sagte Alex. »Ich meine, ich hab nicht wirklich viel von ihm gesehen. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt schon mal was in echt gesehen habe.«
»Okay«, sagte Angelien. »Dann sollten wir wirklich hingehen. Ist mein Lieblingsmuseum in Amsterdam. Trinken wir zuerst noch einen Kaffee? Hast du schon gefrühstückt?«
Angelien ging mit ihm in ein Café und bestellte Kaffee und Croissants. »Hier bin ich als Kind mit meinem Dad oft gewesen«, sagte Angelien. »Es sieht noch genauso aus wie früher.«
Alex sah durchs Fenster, während eine Katze sich auf der anderen Straßenseite auf der Kühlerhaube eines Autos zusammenrollte. Er fühlte sich mit einem Mal furchtbar müde. »Wird schon alles gut werden«, sagte Angelien mit einem Lächeln. »Glaub mir.«
Alex lächelte zurück. Er wollte ihr gerne glauben.
Nachdem sie das Café verlassen hatten, wollte Alex Angelien eigentlich erzählen, was er durch die Maske gesehen hatte, aber es würde albern klingen, egal, wie er es anfing. Er würde nicht weit kommen, und dann würde sie ihn auslachen.
Sie würde ganz bestimmt glauben, er hätte nur geträumt oder sich das Ganze ausgedacht. So oder so würde sie sicher meinen, dass er sich kindisch benahm, und das wollte er auf keinen Fall.
Auch war er sich nicht mehr ganz sicher, was er gesehen hatte, je weiter der Morgen voranschritt. War es denn wirklich unmöglich, dass er die Sache nur geträumt hatte?
»Ich hab gestern Abend noch etwas in Graafs Tagebuch gelesen«, sagte Angelien.
»Ja?«, sagte Alex.
»Hanna hat scheinbar jeden Tag im Haus am Fenster gesessen und auf die Straße gesehen. Und die Kinder in der Gegend sind an dem Kanalstück immer schnell vorbeigerannt. Oder sind gar nicht erst in die Straße. Sie haben Mutproben veranstaltet, wer sich trauen würde, in ihr maskiertes Gesicht zu sehen.«
Alex stellte sich Hanna vor, Tag für Tag, das endlose Ticken der Uhr im Hintergrund, das luftleere Zimmer, das Fenster und ihre Silhouette, wie sie über den Kanal sah, und das Geräusch der trippelnden Füße auf der Straße.
»Und sie hat nie das Haus verlassen?«, sagte Alex.
Angelien schüttelte den Kopf.
»Kein einziges Mal?«, sagte er.
»Scheinbar nicht«, sagte Angelien. »Sie scheint ja auch – wen wundert’s –, so eingeschlossen in dem Haus, ein bisschen verrückt geworden zu sein. Dieses ganze Gerede, dass sie die Geister der Pestkinder sehen konnte … «
Alex drehte sich weg und sah über den Kanal. Blätter trieben auf dem sepiabraunen Wasser. Er musste etwas sagen. Er musste ihr sagen, dass er die Geisterkinder selber gesehen hatte.
Aber noch, als er es beschloss, kamen ihm wiederZweifel; sah er wirklich die Vergangenheit, oder sah er die Verirrungen von Hannas verrücktem Geist? Träumte er bloß? Vielleicht war er ja der eigentlich Verrückte.
Dann hörte Alex Schritte, er drehte sich um und sah Dirk grinsend auf sie zukommen. Sein Gesicht hatte etwas Wölfisches an sich.
»Was macht der denn hier?«, sagte Alex unfreundlich.
»Freut mich auch, dich zu sehen«, sagte Dirk.
»Du hast gesagt, er würde nicht mehr mitkommen«, sagte Alex.
Dirk legte den Arm um Alex’ Schulter und grub die Finger in sein Fleisch. Er ließ es wie eine freundschaftliche Geste aussehen, aber Alex war klar, dass er ihm weh tun wollte, und das tat er auch.
»Du verrätst doch nichts, Alex?«, sagte er.
»Hau ab! Lass mich in
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