Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
Geländer gekettet waren. Eine Lichterkette spannte sich in einem Rundbogen über der Brückenwölbung und spiegelte sich im Wasser fast zu einem Kreis.
»Es wird schon alles gut werden«, versicherte ihm sein Vater, während sie auf das Essen warteten. »Momentan ist vielleicht alles ein wenig viel, aber das geht auch vorbei.«
»Ja, denke auch«, antwortete Alex.
»Es tut mir wirklich leid, dass wir dir das antun mussten«, sagte er. »Deine Mutter und ich. Das wollte ich wirklich nicht, ich hoffe, das weißt du – aber ich konnte deine Mutter eben nicht dazu bringen zu bleiben.«
»Ich wünsche mir nur … «
Aber Alex war sich nicht mehr sicher, was er wünschte. Er wollte nur, dass alles wieder normal war.
»Ich mag es, wenn wir zu zweit sind«, sagte Alex. »Ich meine, ich mag Saskia und alles. Das ist es nicht.«
Sein Vater lächelte.
»Ich freu mich, dass du sie magst«, sagte er. »Mir gefällt sie auch ganz gut. Wir haben uns einfach zur falschen Zeit kennengelernt. Wir waren damals noch so jung.«
»Wirst du Saskia heiraten, Dad?«, fragte Alex.
»Heiraten?«, sagte sein Vater und schenkte sich etwas Wein nach. »Wie kommst du auf die Idee? Von solchen Entscheidungen sind wir noch weit entfernt.«
»Ich meine, weil sie hier in Amsterdam lebt?«, sagte Alex. »Ihre Arbeit ist hier. Ihr ganzes Leben ist hier.«
»Alex, Alex«, sagte sein Vater. »Ich will nicht, dass du dir über so was den Kopf zerbrichst. Wer weiß schon, was passiert? Komm. Lass uns über etwas anderes reden. Was hast du heut so gemacht?«
»Nicht viel«, sagte Alex und erinnerte sich an Dirk und wie er ihn an der Schulter packte.
»Alles in Ordnung?«, sagte sein Vater. »Ich hätte dich mit Angelien nicht so aufziehen sollen. Tut mir leid.«
»Nein«, sagte Alex. »Du hattest ja Recht. Ich war einfach dumm. Natürlich hat sie sich nicht für mich interessiert.«
»Na«, sagte sein Vater. »Mach dir nichts draus, hm? Ist ja nichts passiert. Und? Wir wär’s mit Nachtisch?«
Alex hatte keine Eile, zurück ins Hotel zu gehen, und war froh, als sein Vater vorschlug, nach dem Essen noch ein wenig spazieren zu gehen.
Das Klacken seiner Lederabsätze hallte durch die dunklen Straßen und Kanäle, und Alex wurde schläfrig und ruhig. Vielleicht lag sein Vater richtig: Vielleicht würde alles gut werden.
Dieser Anflug von Optimismus dauerte bis zu dem Moment, als er seinem Vater gute Nacht sagte und wieder allein in seinem Zimmer war. Denn sowie er die Tür geschlossen hatte, fühlte Alex, wie sich eine Eiseskälte in seinen Magen grub.
Er wollte die Tür wieder öffnen und zu seinem Vater gehen, aber die Dunkelheit hatte bereits Besitz von ihm ergriffen.
Er fasste nach der Kommode. Er wusste, dass die Maske ihn rief, und er wusste, dass er nicht widerstehen können würde; er wollte nicht widerstehen. Alex ließ die Sache keine Ruhe. Er musste mehr erfahren. Und es war nicht einmal mehr in seiner Macht. Er konnte der Maske so wenig widerstehen, als wollte er aufhören zu atmen. Angelien musste er nichts beweisen; es war wie ein Zwang. Er musste einfach noch einmal zurück in diese Welt. So beängstigend sie war, er musste mehr erfahren.
Alex band sich die Maske schnell vor das Gesicht. Er verknotete sie hinter dem Kopf. Sie fühlte sich zuerst etwas eng an, aber dann, nach ein paar Sekunden bemerkte er sie kaum noch. Dunkelheit senkte sich über ihn, und alle gegenwärtigen Dinge um ihn herum verschwanden.
Er ging hinüber zum Fenster und widerstand dem Drang, zu den bleichen, bläulich schimmernden Kindern nach unten zu sehen, stattdessen sah er geradeausins Dunkel der lichtlosen Häuser auf der anderen Straßenseite.
Dann entließ er sie in die Unschärfe und sah vor sich auf sein eigenes Spiegelbild im Fenster. Es war nur vage und schemenhaft zu erkennen, aber mit etwas Konzentration wurde es immer schärfer und dann war es deutlich zu sehen.
Die Maske zeichnete sich hell vor dem dunklen Hintergrund ab, die Augen, die im Schatten der Augenhöhlen glänzten, waren aber nicht braun wie seine eigenen Augen, sondern hell und klar. Und auch das blonde Haar, das zu beiden Seiten auf seinen Schultern lag, war nicht das seine, sondern das von Hanna.
Als ihm bewusst wurde, dass er sie sehen konnte, spürte er im gleichen Moment, dass auch sie es bemerkte. Über die Jahrhunderte hinweg traten sie in Kontakt.
Alex Hände hoben sich hinter den Kopf, aber es war Hanna, die sie bewegte. Es waren ihre Finger, die versuchten
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