Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
verhindern konnte.
Alex streckte den Arm aus und griff nach der Maske. Die Oberfläche war wie immer eisig, und die Kälte drang bis in sein Fleisch.
Alex band die Maske vor das Gesicht und sah sich im Zimmer um. Der Wechsel traf ihn nicht unerwartet, auch die plötzliche Dunkelheit überraschte ihn nicht mehr.
Wieder hatte Alex das Gefühl, dass zwei Menschen seinen Kopf beherrschten. Oder war er in die Gedanken des Mädchens eingedrungen? Hatte sie das gleiche merkwürdige Gefühl wie er?
Seit den Schlägen war einige Zeit vergangen. Er konnte noch immer den Schmerz fühlen, aber es war mehr ein dumpfer innerer Schmerz. Nur ihre Wut war noch frisch. Alex spürte sie brennend kalt wie Eis.
Er ging zum Fenster, zog den Vorhang zur Seite und blickte über den Kanal. Es war wieder Mehr-als-nur-Nacht in Hannas Welt. Die Pestkinder hatten sich bereits auf der Straße unter seinem Fenster versammelt.
Sie standen dicht beieinander, die Köpfe gesenkt, als wären sie tief in Gedanken, schienen aber zu wissen, dass Hanna am Fenster war, da sie alle auf einmal ihre bläulich weißen Gesichter hoben und zum Fenster hinaufsahen.
Dann hob jedes der Geisterkinder, eines nach dem anderen, seine dünnen bläulich weißen Arme, streckte sie nach oben und rollte die Finger nacheinander ein, wie um einen Vogel vom Baum zu locken.
Sie riefen Hanna. Sie wollten, dass sie nach unten kam und mit ihnen spielte; sie wollten, dass sie sich von der Gefangenschaft durch ihren Vater befreite und mit ihnen durch die Straßen lief.
Der Preis für diese Freiheit war der Tod, und Alex konnte Hanna in seinem Innern spüren: Sie war bereit, diesen Preis zu zahlen. Schon bald würde sie zu ihnen stoßen.
Hanna drehte sich um und ging zu der Verbindungstür ins Zimmer ihres Vaters. Alex spürte, wie er den Arm ausstreckte und Hannas Hand in seinem Blickfeld erschien, die sich vorsichtig der Klinke näherte. Es war nicht die weiß gestrichene Tür aus seinem Hotelzimmer, es war die unbehandelte, dunkle Holztür aus Hannas Welt.
Er fühlte, wie seine – wie Hannas Hand sich um die Klinke schloss. Sie lag kalt und glatt in seiner Hand. Er hörte, wie sich das Schloss mit einem leisen Klicken öffnete und die Tür kaum hörbar aufging.
Durch den sich langsam öffnenden Spalt sah er das Zimmer – aber es war nicht das Zimmer, in dem sein Vater schlief. Es war ein viel dunkleres Zimmer mit nur wenigen Möbelstücken. In der Mitte standein großes Himmelbett, das mit schweren Vorhängen verhangen war.
Van Kampen lag in dem Bett. Er konnte ihn im Schlaf atmen hören, leicht keuchend wie die Uhr in seinem Zimmer.
Die Angst, Van Kampen könnte aufwachen, war fast nicht zu ertragen. Alex wünschte sich zurück in sein Zimmer, zurück in seine eigene Zeit, aber Hannas Willen war stärker.
Ihre Schritte waren geräuschlos. Die nackten Füße des Mädchens glitten unhörbar über den Holzboden. Sie hatte eine Behändigkeit, die ihm niemals möglich gewesen wäre.
Alex konnte ihre Vorsicht spüren, ihre Angst, ihr Vater könnte aufwachen, und schon kehrte seine eigene Angst zurück. Sie ging am unteren Bettende vorbei zu einem Tisch am Fenster, auf dem ein Glas und eine Karaffe Wein und ein kleines dunkelgrünes Fläschchen standen.
Alex wusste, dass sie nach der kleinen Flasche greifen würde. Er wusste auch, sie würde den Stöpsel von der Karaffe nehmen. Er spürte den Glasstöpsel schon in seiner Hand, spürte sein Gewicht, als sie ihn von der Karaffe nahm und ihn leise auf den Tisch legte.
Die kleine grüne Flasche enthielt ein feines weißes Pulver. Er sah zu, wie die Hand des Mädchens es vorsichtig aufnahm und mit geübter Hand etwas davonin den Wein schüttete. Sie hatte dies offenbar schon öfter getan.
Sie beobachtete kurz, wie sich das Pulver in dem Wein auflöste, dann stellte sie die Flaschen wieder genauso hin, wie sie gestanden hatten. Alex überlegte, ob Gift darin war, dachte dann aber, dass Van Kampen wohl kaum eine Flasche Gift neben seinem Wein stehen lassen würde. Wahrscheinlich war es irgendeine Medizin. Was es auch war, ihm war klar, dass Hanna ihm schaden wollte.
Was kümmerte es ihn? Er hasste seinen Vater. Nein. Hanna hasste ihren Vater. Ihre Gedanken verschmolzen mit seinen. Und er versuchte seine Gedanken zu fassen, sie zu retten.
Van Kampen regte sich im Schlaf, wachte aber nicht auf. Es war dennoch ein Zeichen, sich zu entfernen. So geräuschlos, wie sie gekommen waren, verließen sie das Zimmer und schlossen
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