Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
Zerbrechen der Maske befreit worden war. Sie hatte das Zimmer verlassen, das konnte Alex spüren. Im Tod wie im Leben gefangen, war sie endlich frei.
Und auch Alex fühlte sich befreit. Seine Wahrnehmung schien geschärft. Zuvor hatte er nur seine Angst gespürt, die anderen Sinne waren wie gelähmt. Er fühlte sich auch erwachsener, als wäre er in nur einem Tag um Jahre gealtert.
Die Maske lag im Papierkorb des Hotelzimmers. Ihr Bann war gebrochen wie die Maske selbst.
»Die ganze Zeit war es hier eiskalt«, sagte sein Vater und tippte gegen die Air-Condition. »Und jetzt kocht das Ding mit einem Mal.«
Alex nahm seine Tasche. Sie waren alle fort: Hanna, Van Kampen und auch die Pestkinder. Ihre Geister waren an einen anderen Ort gezogen.
Unten in der Lobby gab sein Vater ihre Schlüssel ab und bat um die Rechnung.
»Nein, nein«, sagte der Hotelmanager mit einem Lächeln. »Die Rechnung wurde bereits beglichen. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Aufenthalt.«
»Danke, es hat uns wirklich sehr gefallen«, sagte Alex’ Vater.
Der Hotelmanager sah zu Alex und lächelte.
»Ich hab da noch etwas für dich«, sagte er. »Deine Freundin, ich meine, die junge Dame, die öfter hier war, hat das hier für dich hinterlegt.«
Alex ging zum Empfangstisch, und der Hotelmanager reichte ihm einen Umschlag, ohne auf den abweisenden Blick von Alex’ Vater zu achten.
»Danke«, sagte er.
»Soll ich Ihnen ein Taxi rufen, Sir?«, bot der Manager an.
»Das wird nicht nötig sein, danke«, bedankte sich Alex’ Vater und erklärte, dass sie mit dem Zug nach Schiphol fahren und zum Bahnhof laufen wollten.
Er schien nicht eine Minute länger als nötig in demHotel bleiben zu wollen, nicht einmal, um auf ein Taxi zu warten. Alex war es egal, wie sie nach Hause kamen, er wollte einfach nur zurück, mit so wenig Aufregung wie möglich.
Er freute sich sogar wieder auf die Schule – trotz des ganzen Ärgers und der schrägen Blicke und Kichereien; er sehnte sich nach etwas Vertrautem.
Sie nahmen ihre Taschen und gingen auf die Straße. Alex sah noch einmal hinauf zum Fenster seines Zimmers genau wie am ersten Tag, als sie angekommen waren. Diesmal schien die Sonne, und die Fensterscheibe spiegelte sich im Blau des Himmels. Alex hatte nicht das Gefühl, dass sich dahinter etwas verbarg.
Alex hatte gehofft, vielleicht Angelien zu sehen, aber die Straße war leer, abgesehen von ein paar Fahrrädern, die über die nächste Brücke fuhren. Er würde Angelien nie wiedersehen, das wusste er.
Er glaubte kurz, jemand hätte ihn gerufen, und drehte sich um. Aber da war nichts: nichts, außer den Spiegelungen auf dem Wasser des Kanals – glänzende Lichtschollen, die auf der Oberfläche schunkelten. Alex folgte seinem Vater die Straße hinunter, über die Brücke und weiter in Richtung Damrak, dem großen Boulevard, der direkt zum Hauptbahnhof führte.
Damrak war sehr belebt, auf den breiten Bürgersteigen herrschte ein ständiges Hin und Her vonMenschen, während auf der Straße die Trambahnen vorbeisurrten. Es schienen nur Touristen unterwegs zu sein, entweder auf dem Weg ins Stadtzentrum oder wie sie auf dem Weg zum Bahnhof, um mit dem Zug aus der Stadt zu fahren.
Der Hauptbahnhof war ein großes, imposantes Gebäude mit Fresken an den Außenmauern und mehreren schiefergedeckten Dachtürmen. Sie gingen an den vielen Tramhaltestellen vorbei zum Eingang.
Am Automat kauften sie sich Fahrkarten. Alex’ Vater suchte in seinen Taschen nach passenden Münzen. Alex stand unbeteiligt daneben, während sich ein paar Schritte entfernt ein Pärchen leidenschaftlich umarmte und dann unter Tränen Abschied nahm.
Sie fuhren im Zug im oberen Stock und saßen einem älteren Paar gegenüber, das seine Taschen an die Brust gedrückt hielt; es schien fast, als fürchteten sie, Alex könnte sie ihnen jeden Moment entreißen. Alex machte seinen iPod an und sah aus dem Fenster.
Der Zug fuhr an der Autobahn entlang, auf der sie mit Saskia und Angelien vor ein paar Tagen in die Stadt gefahren waren. Wie eine Diashow brachte die Erinnerung Bilder von Angelien zurück, die flackernd an ihm vorbeizogen, die Tage, die sie zusammen gewesen waren, die Bilder wie Stachel, die sich in seinen Gedanken verhakten. Er sah seine Beziehung zu Angelien jetzt, wie sein Vater sie gesehenhaben musste; wie Saskia sie sicher gesehen und wie Angelien sie gesehen haben musste. Bei jedem neuen Gedanken zuckte er innerlich zusammen.
Wie hatte er nur annehmen können,
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