Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
Maske getragen?«, sagte Alex.
Angelien zuckte mit den Achseln.
»Der Maler Pieter Graaf hat sich überlegt, ob es an Van Kampen lag und an dem, was mit seiner Frau passiert war. Vielleicht hat er seine Tochter bestraft, weil er seine Frau nicht bestrafen konnte. Oder er hat ihr verboten, aus dem Haus zu gehen, damit sie ihn nicht verließ.«
»Aber warum sollte sie dann eine Maske tragen?«, fragte Alex.
»Vielleicht weil ihre Mutter mit einem anderen Mann weggelaufen war, und Van Kampen ihr Gesicht verbergen wollte – damit niemand um sie werben würde.«
»Aber das ist doch verrückt«, sagte Alex.
»He«, sagte Angelien. »Alle Männer sind verrückt, wenn du mich fragst. Van Kampen hat dem Maler erzählt, Hannas Gesicht wäre durch die Verbrennungen furchtbar entstellt. Möglicherweise hat Van Kampen das ja auch ihr selbst erzählt. Vielleicht hat sie es sogar geglaubt. Im Haus waren ja keine Spiegel erlaubt, nicht einmal polierte Oberflächen. Nur VanKampen hat sie ohne Maske gesehen. Der Dienerschaft war es nicht gestattet, sie ihr abzunehmen.«
»Aber sie wird sie doch wohl selber abgenommen haben«, sagte Alex. »In all den Jahren. Sie wird ihr Gesicht doch angefasst haben. Und dann hat sie doch gemerkt, dass alles in Ordnung ist. Warte … vielleicht hat er sie ja deshalb geschlagen.«
»Sie geschlagen?«, sagte Angelien. »Was meinst du? Warum glaubst du, dass er sie geschlagen hat?«
»Ich … ach, ich weiß nicht«, sagte Alex. »Woher wusste Graaf überhaupt davon? Wenn Van Kampen sie niemanden hat sehen lassen, wie konnte Graaf wissen, dass es eine Lüge war?«
»Er hat sie sterben sehen«, sagte Angelien. Alex wusste, dass Hanna tot war – natürlich war sie tot –, aber dennoch explodierten die Worte geradezu in seinem Schädel. Er hatte mit Hanna die Gedanken geteilt – ihren Körper geteilt. Er war so sehr mit ihrer Geschichte verbunden, dass ihn eine Art tiefer Trauer befiel, von ihrem Tod zu hören.
»Alex?«, fragte Angelien.
»Ja«, murmelte er. »Ich hab nur … Wie ist sie denn gestorben?« Er dachte wieder an die Schläge, spürte, wie der Stock seine Rippen traf. »Hat Van Kampen sie umgebracht?«
»Van Kampen?«, sagte Angelien und sah ihn fragend an. »Nein. Na ja, zumindest nicht direkt. Ichmeine, man könnte schon sagen, dass seine Behandlung schuld daran war … «
»Schuld an was?«, sagte Alex.
»Sie ist aus dem Fenster geklettert und hinuntergesprungen.«
Beide sahen auf das Kopfsteinpflaster, wo sie aufgeschlagen sein musste. Alex dachte an die bittenden Gesichter der Kinder, und ihm lief ein Schauer den Rücken hinunter.
»Komm«, sagte sie. »Lass uns ins Café gehen.«
Nach kurzem Zögern nickte Alex.
»Graaf sah die vielen Menschen auf der Straße und lief zu Van Kampens Haus«, erzählte Angelien, während sie weitergingen. »Er erreichte nur wenige Momente, nachdem sie gesprungen war, das Haus. Sie war aber schon tot. Jemand hatte ihr die Maske abgenommen, und Graaf sah zum ersten Mal ihr Gesicht, ihre blassen Augen starrten direkt in den Himmel. Wär hier in Ordnung für dich? Wir können draußen sitzen.«
»Okay«, stimmte Alex zu und zog einen Metallstuhl heran, während eine Kellnerin zu ihnen nach draußen kam. Angelien bestellte und fuhr mit ihrer Geschichte fort.
»Hanna war auf den Rücken gefallen, und ihr Gesicht war unverletzt. Es gab keinerlei Spuren von Verbrennungendarauf. Und es war alles andere als entstellt. Graaf beschreibt sie als sehr schön.«
Alex schüttelte den Kopf. Van Kampen war ein mieser Scheißtyp gewesen. Es war alles seine Schuld. Er hatte sie dazu getrieben. »Ihr Vater hätte sie auch gleich selbst aus dem Fenster stoßen können!«, erregte er sich.
»Dich scheint die Geschichte ja ganz schön aufzuregen«, sagte Angelien.
Nur fühlte es sich nicht wie eine Geschichte an. Zumindest nicht für Alex. Jedes Mal, wenn er die Maske aufsetzte, spürte Alex mehr von Hannas dunkler Seite in seine Seele sickern. Er war sich nicht einmal mehr sicher, welches seine eigenen Gefühle waren und welche die von Hanna.
»Das ist, was ich an Geschichte so liebe«, sagte Angelien. »Wie sie einen packen kann … «
»Nein«, widersprach Alex. »Es ist mehr als das.«
Alex setzte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Ach ja?« Angelien sah ihn fragend an.
Alex machte eine lange Pause, während er versuchte, die richtigen Worte zu finden.
»Die Maske«, sagte Alex. »Die, die ich auf dem Markt gekauft habe. Sie ist
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