Dead Man's Song
Wirtschaftsanwalt und klug genug war, einzusehen, daß die Polizei seine Frau sicher nicht vorladen würde, wenn sie keinen Grund zu der Annahme hätte, daß ein Verbrechen begangen worden war. Er hatte einen Freund benachrichtigt, der als Strafverteidiger tätig war. Dieser Mann war jetzt zugegen und wollte wissen, was seine Klientin in einem Polizeirevier zu suchen hatte, obgleich er bereits darüber informiert worden war, daß Mrs. Keating hergebeten worden und aus freiem Willen in Begleitung ihres Mannes gekommen war.
Todd Alexander war ein stämmiger kleiner blonder Mann in einem dunkelblauen Sportsakko mit karierter Weste und grauen Flanellhosen. Er sah aus, als gehörte er eher auf eine Versammlung eines Yachtclubs als in eins der schäbigen städtischen Polizeireviere. Sein Auftreten verriet jedoch, daß er sich schon mit Hunderten von unbegründeten Vorwürfen von Hunderten von rücksichtslosen Polizeibeamten herumgeschlagen hatte. Die augenblickliche Kulisse und die Umstände, die sein Erscheinen hier erforderlich machten, schienen ihn völlig kalt zu lassen.
»Erklären Sie mir, worum es geht«, verlangte er. »Möglichst in fünfundzwanzig Worten oder weniger.«
Carella zuckte noch nicht mal mit der Wimper.
»Uns liegt ein Autopsiebericht vor, aus dem hervorgeht, daß Andrew Haie erstickt ist«, sagte er. »Sind das fünfundzwanzig Worte oder weniger?«
»Dreizehn«, sagte Meyer. »Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein.«
»Die Indizien haben ergeben, daß der Gürtel von Mr. Haies Kaschmirmantel um seinen Hals geschlungen, geknotet und dann über den Haken in der Badezimmertür gezogen wurde«, fuhr Carella fort. »Das spricht für Selbstmord oder Mord.«
»Und was hat das mit meiner Klientin zu tun?«
»Ihre Klientin geht offenbar davon aus, daß ihr Vater im Bett gestorben ist.«
»Hast du ihnen das erzählt?«
»Ich habe gesagt, ich hätte ihn im Bett gefunden.«
»Tot?«
»Ja«, antwortete Cynthia.
»Ist Mrs. Keating über ihre Rechte aufgeklärt worden?« fragte Alexander.
»Wir haben ihr noch keine Fragen gestellt«, sagte Carella.
»Sie hat mir gerade mitgeteilt…«
»Das war am Tatort.«
»Sie haben nicht mit ihr geredet, seit sie hier eintraf?«
»Sie ist ganze drei Minuten vor Ihnen angekommen.«
»Wurde sie irgendeines Vergehens beschuldigt?«
»Nein.«
»Warum ist sie hier?«
»Wir wollen ihr ein paar Fragen stellen.«
»Dann lesen Sie ihr ihre Rechte vor.«
»Natürlich.«
»Spielen Sie nicht den Überraschten, Detective. Sie ist in Gewahrsam, und Sie werfen mit Begriffen wie Mord um sich, daher möchte ich, daß sie über ihre Rechte aufgeklärt wird. Danach entscheiden wir, ob sie irgendwelche Fragen beantworten will.«
»Natürlich«, sagte Carella und begann den Vortrag, den er auswendig kannte. »In Anlehnung an die höchstrichterliche Entscheidung im Fall Miranda gegen Escobedo«, zitierte er und informierte sie darüber, daß sie das Recht hätte zu schweigen, fragte sie praktisch nach jedem Wort, ob sie alles genau verstanden hätte, erklärte ihr dann, daß sie das Recht hätte, einen Anwalt hinzuzuziehen, was sie bereits getan hatte, machte sie darauf aufmerksam, daß sie ihr einen Anwalt besorgen würden, falls sie keinen hätte, was ja nicht mehr nötig war, sagte ihr, daß sie, falls sie sich entschied, Fragen in oder ohne Anwesenheit ihres Anwalts zu beantworten, die Befragung jederzeit abbrechen könnte, haben Sie das verstanden, und fragte sie schließlich, ob sie bereit wäre, zu diesem Zeitpunkt Fragen zu beantworten, worauf sie erwiderte: »Ich habe nichts zu verbergen.«
»Heißt das ja?« fragte Carella.
»Ja. Ich werde alle Ihre Fragen beantworten.«
»Wo ist dieser Autopsiebericht?« fragte Alexander.
»Hier auf meinem Schreibtisch.«
Alexander nahm ihn, warf einen kurzen Blick darauf…
»Wer hat ihn unterschrieben?« fragte er.
»Carl Blaney.«
… schien ihn plötzlich schrecklich langweilig zu finden und ließ ihn wieder auf die Tischplatte fallen.
»Haben Sie persönlich mit Blaney gesprochen?« wollte er wissen.
»Ja, das habe ich.«
»Hatte er seinen Ergebnissen etwas hinzuzufügen?«
»Nur, daß aufgrund der Tatsache, daß die Schlinge weich und breit war, diese nur einen schwachen Abdruck auf der Haut um den Hals hinterlassen hat. Daß der Knoten jedoch unter dem Kinn eine typische Hautabschürfung verursacht hat.«
»Na schön, dann stellen Sie Ihre Fragen«, sagte Alexander. »Wir wollen hier nicht den ganzen Tag
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