DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
existiert nicht mehr. Geblieben ist nur eine Hülle, ein irres, zitterndes Wesen, das winselt und schreit und immer wieder blindwütigen Wahnanfällen erliegt, in denen es auf Dinge deutet, die ich nicht sehen kann (und will). In seinen ruhigeren Momenten redet er unentwegt davon, sich das Leben zu nehmen, bevor »die Kreaturen aus dem Nebel mich kriegen ... denn es wird entsetzlich sein«. Er ist davon überzeugt, dass sich dort im Nebel eine obskure, abscheuliche Intelligenz verbirgt, die mit uns nur spielt. Er behauptet, sie komme durch die Schotten wie ein Gespenst, wenn er allein sei. Sie habe »Augen, die belauern und brennen«, und ihre Berührung fühlte sich an wie »ein versengendes, Unheil bringendes Eis«.
Ich wünschte wahrlich, es wäre nur Worley, der so vom Wahnsinn geplagt wird. Doch die verbliebenen Besatzungsmitglieder und Passagiere sind ebenfalls in unterschiedlichem Maße dem Irrsinn verfallen. Der uns umschlingende Nebel ist kein gewöhnlicher Nebel. Etwas ist an ihm, das in die Köpfe der Männer eindringt und ihre Gedanken verrotten und schwarz werden lässt. Ja, auch ich habe es gespürt und kann seinen verderblichen Einfluss nur bestätigen.
Die Moral des Schiffs ist zweifelsohne auf dem Tiefpunkt angelangt. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, doch ich fürchte, sie hat uns aufgegeben.
Die nächsten Einträge hatte der Schimmel unleserlich gemacht. Fabrini wollte an dieser Stelle aufhören, aber Cook drängte ihn, weiterzulesen. Er wollte, dass Fabrini auch den Rest erfuhr. Dass er erfuhr, was er selbst inzwischen wusste. Also wandte sich Fabrini mit einem leisen Fluch dem nächsten lesbaren Eintrag zu, auf den Cooks Finger deutete:
20. März 1918 (Position unbekannt)
Ich habe nun schon seit Tagen nicht geschlafen. Ich wage es nicht. Wenn ich mir meine Einträge der letzten beiden Tage ansehe, so scheint es mir, dass ich der Hysterie nahe war. Sie klingen wie die Rasereien eines Irren. Doch wer kann an diesem Höllenort schon behaupten, nicht dem Wahnsinn nahe zu sein? Ich will mich gar nicht über diese wuchernden Dinge, die an den Seiten des Schiffs heraufkriechen, auslassen oder über den Verlust des Rettungsboots samt Besatzung durch den Angriff dieser widerlichen achtarmigen Monstrosität vor den Augen aller, die sich zu der Zeit auf dem Hauptdeck aufhielten. Je weniger über diese Albträume gesagt wird, umso besser.
Ich will hier nur festhalten, dass unsere Lage sich ganz entschieden zum Schlechteren entwickelt hat. Es gab eine große Zahl an Selbstmorden bei Besatzung und Passagieren. Männer verschwanden auf Wache, andere direkt aus ihren Kabinen. Auch Worley ist verschwunden. Wir entdeckten ein Loch in der Wand seiner Kajüte, das aussah, als hätte sich etwas durch den Stahl gefressen, um ihn zu holen. Ob er nun wahnsinnig war oder nicht, mit einem jedenfalls hatte Worley recht: Es existiert etwas Intelligentes im Nebel. Ein Jäger der Dunkelheit, eine schleichende Schimäre, heraufgekrochen aus den Abgründen urzeitlicher Angst, die in den Seelen aller Menschen schlummert.
Ich habe seinen Einfluss gespürt. Es ist ein kalter und aus den Fugen geratener Intellekt, ein irrsinniger Schatten aus Raum und Zeit, der im Nebel lauert und die Geister der Menschen abnagt wie ein Geier einen Kadaver. Ja, es treibt alle in den Wahnsinn und mich mit ihnen. Die Männer behaupten, es rufe mit den Stimmen Verstorbener aus dem Nebel nach ihnen und zeige ihnen Dinge, die ihren Geist zerstörten. Ich will gar nicht davon reden, was es mir gezeigt hat. Gott helfe uns allen. Denn mit jeder Nacht kommt es näher und zieht mehr Männer in diesen verderblichen Nebel hinein ...
21. März 1918 (Position unbekannt)
Gefangene des Seetangs sind wir und werden es auch bleiben. Mehr aus Verzweiflung als aus irgendeinem anderen Beweggrund habe ich befohlen, ein motorisiertes Walboot zu Wasser zu lassen. Die Bestien im Algenmeer sind ruhiger geworden, nicht so jedoch dieses andere Wesen, dieser Geist oder wie man es auch nennen mag. Ich lasse das Boot fertigmachen, um mit einer ausgewählten Besatzung, zu der auch der Schiffsarzt Dr. Asper zählen wird, unsere Lage zu erkunden und nach möglichen Rettungswegen Ausschau zu halten. Der geistige Druck auf die Männer ist mittlerweile so groß, dass die Ordnung an Bord nahezu zusammengebrochen ist und sich kleine Grüppchen oder Enklaven gebildet haben, die sich gegenseitig erbittert befeinden. Es hat bereits mehrere Vorfälle der Barbarei
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