DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
starren. Ein riesiger runder Mond ist nun über dem Nebel aufgestiegen, und er besitzt die Farbe von frischem Blut und färbt die Decks und Aufbauten mit einem roten Feuer. Spüre eine Verwandtschaft mit den Kreaturen des unheimlichen Meeres und Nebels. Denn so fremdartig sie sind, so lebendig sind sie doch, aus Fleisch und Blut. Das, was dort oben und unten summt und kreischt, ist nicht körperlich, so wie ich das Wort verstehe. Es ist ein entkörperter Hunger, eine bösartige Intelligenz, die hungert und hungert sich mit den Knochen und Seelen von Menschen vollstopft fett wird wie eine Spinne sich an menschlichem Leid und Grauen vollfrisst
Muss diesen Eintrag beenden, bevor ich mich verstecke
mir nicht sicher aber muss wohl allein sein schließe meine Ohren gegen das was das Schiff heimsucht das was schreit und lacht und mich ruft dieser gefräßige gesichtslose Albtraum
verflucht ich bin verflucht muss verflucht sein es kommt und ich spüre seine Hitze und seine Kälte und es gleitet und zischt und füllt meinen Kopf mit Fieber oh das kalte brennende Licht gefrorene kristalline Augen voll kosmischem Feuer
das Summen Summen
Hier endete das Logbuch der Cyclops, und – bei Gott – Fabrini und Cook reichte es auch. Denn was sie geraten, gespürt, durch Cryceks Wahnsinn erahnt hatten, war ihnen hier von Lieutenant Forbes, dem Ersten Offizier der Cyclops, einem vor 90 Jahren gestorbenen Mann, in fieberhaften, unheilvollen Einzelheiten geschildert worden. Was sie dort gelesen hatten, fasste als düsterer historischer Bericht die Gedanken eines Mannes zusammen, der aus dem Grab zu ihnen sprach.
Fabrini klappte das Buch so heftig zu, dass Cook zusammenzuckte. »Ich brauche so eine Scheiße nicht, okay?«, keuchte er, sein Gesicht blass und seine Stimme rostig und kratzend. »Ich halte das nicht aus, Cook. Und erzähl mir nicht, dieser Typ sei nur verrückt gewesen, denn ich weiß es besser. Und du weißt es auch. Oh Gott, Cook, ich glaube, ich dreh gleich durch. Irgendwas in meinem Kopf ist gerade dabei, auszurasten, und ich weiß nicht, was ich tun soll ...«
Seine Stimme war kaum mehr als ein Schluchzen.
Cook legte ihm den Arm um die Schultern, und der körperliche Kontakt mit einem anderen lebenden, atmenden Menschen schien den anderen ein wenig zu besänftigen.
»Beruhige dich«, sagte Cook. »Das alles ist 1918 passiert.«
Fabrini atmete schwer. »Und es wird wieder passieren.«
»Fabrini, hör zu ...«
Aber Fabrini wollte nicht zuhören. »Es ist da draußen, Cook, was auch immer diese Männer getötet hat. Du hast es doch genauso gespürt wie ich.« Fabrinis Gesicht sah im flackernden Schein der Lampe gespenstisch aus. »Und wir werden es schon sehr bald wieder spüren. Und weißt du was?«
Cook schüttelte den Kopf.
Fabrini leckte sich über die Lippen, versuchte zu schlucken. »Ich habe eine Scheißangst, und du hast sie auch.«
4
Während der Stunde, die Fabrini und Cook auf dem Schiff verbracht hatten, versuchte Saks mit jedem Argument, das ihm einfiel, Crycek dazu zu bringen, ihn loszubinden. Ohne Erfolg. Menhaus war im Bug eingeschlafen, daher musste er sich allein mit Crycek auseinandersetzen. Der starrte ihn nur an, hörte zu, sagte aber kein Wort und schien sich über Saks’ Elend zu amüsieren.
Nach 30 Minuten hatte Saks begonnen, ihnen zu drohen, ihnen zu schildern, wie er sie umbringen wollte, wenn er nur seine Hände wieder freihatte. Nach einer Dreiviertelstunde verfiel er in ein eisiges, wütendes Schweigen. Crycek beobachtete ihn, durchbohrte ihn mit seinen wahnsinnigen Augen. Menhaus ignorierte ihn. Diese Friedhofsstille war es, die Saks am meisten zu schaffen machte. Hin und wieder hörte man ein schlurfendes Schwappen aus dem Algenteppich oder ein gedämpftes Platschen aus dem Nebel, doch mehr nicht. Abgesehen von diesem mysteriösen Brummen, das gelegentlich wie aus weiter Ferne zu hören war, gab es keine Geräusche.
Stille. Brütend, lauernd und unendlich.
Und das Schnarchen von Menhaus.
Schließlich fragte Crycek: »Spürst du es, Saks? Spürst du, wie es dort draußen auf uns wartet?«
»Hör auf mit diesen Psychospielen, Crycek, das wird allmählich langweilig«, entgegnete Saks.
Aber Crycek lächelte nur. »Es wird stärker. Ich kann es fühlen, und du fühlst es auch – es kommt immer näher. Wir treiben die ganze Zeit dichter an sein schwarzes Herz heran.«
»Wir stecken im Seetang fest, du Schwachkopf. Wir treiben nirgendwohin.«
»Und doch werden wir näher
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