DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
herangezogen. Näher an diese Zähne und Augen und diesen kalten, gierigen Geist. Kannst du seinen Geist spüren, Saks? Wie es versucht, in dich hineinzukommen? Denn das tut es, die ganze Zeit.« Er blickte hinaus in den Nebel, dann zurück zu Saks. »Manchmal ... manchmal ist es so nah, dass ich es fast berühren kann. Aber immer kratzt es hinten in meinem Kopf und versucht, einen Weg hinein zu finden.«
Menhaus verschlief selig diesen Wortwechsel.
Saks lachte humorlos. »Wenn es in deinen Kopf kommt, wird es nur eine große Leere finden.«
»Ist es schon in dir, Saks? Das Wesen? Ist es jetzt schon in dir?«
»Halt die Klappe«, zischte Saks ihn an.
Nichts wünschte er sich mehr, als seine Hände bewegen zu können, um Crycek leiden zu lassen. Saks hatte noch nicht entschieden, ob er den Bastard erwürgen oder ihm nur mit den Daumen die Augen ausdrücken wollte. Aber irgendetwas musste geschehen. Und Crycek würde es nicht gefallen.
Plötzlich legte Crycek seine Hände an den Kopf, und draußen in dem widerlichen Nebel setzte ein weiteres Mal dieses merkwürdige Brummen ein, nur um gleich darauf wieder zu verklingen. »Oh Gott ... es denkt an uns, Saks. Ich kann es spüren ... in meinem Kopf. Es weiß, was wir fühlen und sehen ... es kann unsere Gedanken lesen ...«
Saks spürte, wie ein tödlicher Frost unter seine Haut kroch. »Gedanken lesen?«, rief er. »Lass es meine scheiß Gedanken lesen. He! Du da draußen! Lies meine Gedanken! Mach schon – es wird dir nicht gefallen, was ich denke!«
Aber es war reine Prahlerei, ein bisschen Fassade, mehr nicht. Denn innerlich fröstelte Saks und wand sich und hätte am liebsten geschrien. Er redete sich ein, dass Crycek nur Schwachsinn quasselte, über diesen Teufel und alles ... und doch meinte er etwas in seinem Geist zu spüren, einen Hauch von Bewegung wie das Flattern von Mottenflügeln.
Zwei Minuten später schien er überzeugt, dass er es sich nur eingebildet hatte.
»Weg ... es ist wieder weg, Saks«, flüsterte Crycek und kaute auf den Knöcheln seiner rechten Hand. »Aber es wird wiederkommen ... vielleicht ... vielleicht hat es schon Fabrini und Cook erwischt. Vielleicht war es das, was gerade geschehen ist.«
»Sie werden zurückkommen«, sagte Saks ohne große Überzeugung. »Sicher kommen sie zurück. Wenn ... wenn Cook genug davon hat, seine Eier an Fabrinis Kinn zu reiben, kommen sie zurück.«
Aber Crycek schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich sind wir schon allein ... nur du und ich, Saks. Und Menhaus.«
»Das wäre zu schön.«
Crycek lachte, aber es war ein irrsinniges Lachen, so wie ein Messer, das über Glas kratzte. »Wenn sie nicht zurückkommen ... ich frage mich, wen von uns es wohl zuerst holen wird. Mich oder dich? Möglicherweise will es nur einen von uns.« Cryceks Augen funkelten. »Ja ... möglicherweise will es ein Opfer, Saks, ein Menschenopfer. Ob man es besänftigen kann, indem man ihm ein Opfer darbringt? Zufällig kenne ich da jemanden, der bereits gefesselt ist ...«
5
Soltz machte einen geistesabwesenden Eindruck, als Gosling ihn auf der Wache ablöste. Seine Augen wirkten seltsam verschleiert, sein Blick richtete sich in weite Fernen und verlor sich in unbekannten Orten und unsichtbaren Horizonten, zu denen Gosling niemals Zugang erhalten würde.
»Alles in Ordnung, Soltz?«
Erst jetzt schien Soltz zu bemerken, dass er nicht länger allein war. Er sah Gosling an, blinzelte und fokussierte mühsam seinen Blick hinter den dicken Brillengläsern. »Ja. Ja, es geht mir gut. Alles okay.«
»Was haben Sie dort draußen beobachtet?«
Aber Soltz schüttelte nur den Kopf. »Man sieht komische Sachen im Nebel, nicht wahr?«
»Was für komische Sachen?«
Soltz schwieg nachdenklich. An seinem Hals pulsierte eine Ader, und seine Augen wurden wieder glänzend und leer. »Sachen, die nicht da sind. Diese Sachen, die ich gesehen habe – sie können nicht wirklich da gewesen sein, oder?«
»Was haben Sie gesehen?«
Wieder schüttelte Soltz den Kopf. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Er schaute hinaus in den Nebel, und Gosling tat es ihm gleich. Der Nebel sah nicht anders aus als vorher. Dicht und wabernd, funkelnd und gelblich weiß wie die Leinwand eines Autokinos.
»Ich habe ein Schiff gesehen«, flüsterte Soltz. »Ich weiß, ich habe es nicht wirklich gesehen, es hat sich wohl nur in meinem Kopf abgespielt – aber es erschien mir so real.«
»Erzählen Sie mir
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