DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
ignorierten die Eindringlinge.
Cook wusste nicht, ob sie es mit Insekten oder Krustentieren zu tun hatten, oder von beidem etwas. Augenlos und grotesk bewegten sie sich zentimeterweise voran wie Schnecken. Sie riefen einen tief sitzenden, atavistischen Ekel hervor.
»Widerlich«, flüsterte Cook.
»Fischläuse«, meinte Fabrini. »Das sind gottverdammte Fischläuse. Lachse und andere Fische können davon befallen werden. Hab ich mal im Fernsehen gesehen – aber unter einem Mikroskop. Die hier sind 100-mal so groß wie Fischläuse ...«
Die Viecher krochen durch die Knochen und verschwanden im flachen Wasser am Boden. So eklig sie sein mochten, Fabrini hatte wahrscheinlich recht. Es musste sich um Fischläuse handeln, die in dieser Welt im Nirgendwo zu bizarren Proportionen angewachsen waren. In der realen Welt hätte man sie als Mutanten betrachtet, hier waren sie harmlose Parasiten.
»Komm«, meinte Fabrini, »sehen wir uns mal die Kabinen oben an.«
»Okay. Und dann sollten wir besser zurück. Ich will Menhaus nicht zu lange mit Saks allein lassen.«
Sie gingen hinauf.
7
Sie machten das Verdeck des Floßes los und beschlossen, es darauf ankommen zu lassen, denn sie hatten etwas gehört: ein Nebelhorn.
Die anderen stierten vor sich hin, verloren in ihren eigenen kleinen Welten.
Soltz hatte geschlafen – abrupt setzte er sich auf, mit geschocktem und entsetztem Blick, die Augen glasiger als seine Brillengläser. »Ich hab’s gehört«, keuchte er. »Ich hab’s gehört.«
»Was?«, fragte George, der auch etwas gehört zu haben glaubte.
»Legen Sie sich wieder schlafen«, sagte Gosling. »Sie haben nur geträumt.«
Doch dann nahmen sie es alle wahr – dieses tiefe Stöhnen, das aus dem Nebel kam und nichts anderes sein konnte als das heisere Brüllen eines Nebelhorns. Fünf Minuten später erklang es erneut, und jetzt schien es noch näher zu sein. George, der zuerst gedacht hatte, dahinter verberge sich der klagende Ruf einer Seeschlange wie in dieser Geschichte von Ray Bradbury, änderte seine Meinung.
Ein Nebelhorn. Ganz sicher.
Also machten sie das Verdeck ab, hockten unter den luftgefüllten Stabilisierungsbögen und lauschten und schauten und warteten. Denn sie alle dachten das Gleiche: Ein Nebelhorn – das konnte nur zweierlei bedeuten. Entweder gab es dort ein Schiff oder einen Leuchtturm. Und der eine Gedanke kam ihnen genauso lächerlich vor wie der andere, aber ausschließen wollten sie keinen davon. Gott allein wusste, was der Nebel im Laufe der Jahrhunderte an diesen Ort gebracht hatte.
»Es kann nicht weg sein, noch nicht«, jammerte Soltz.
Gosling bedeutete ihm, zu schweigen. Er wollte, dass alle horchten. Wenn dort draußen ein Schiff unterwegs war und sein Nebelhorn betätigte, dann wollte er auch wissen, wo es sich befand.
Fünf Minuten später erklang das Horn erneut.
Und was für ein wunderschöner, gespenstischer Laut! Ein tiefer Bariton, der in den Nebel hinausrief, der verirrte Schiffe zu sich rief wie eine Mutter ihre Kinder, der vor giftigen Nebeln und felsigen Landzungen warnte, vor Riffen, die nur darauf warteten, ihre Zähne in unvorsichtige Schiffsrümpfe zu bohren. So laut, dass die Gummihaut des Floßes dabei vibrierte.
»Mein Gott«, sagte George, »Wir müssten eigentlich jeden Moment damit zusammenstoßen. Wo zur Hölle ist es?«
Aber sie konnten nichts sehen.
Vielleicht war es nah, vielleicht war es fern, vielleicht war es nur ein Echo aus einer anderen Welt, nur ein lautstarkes Gespenst, das sie mit Hoffnung köderte und sie dann ebenso schnell wieder zerschlug. Aber die Männer im Floß konnten nichts sehen, denn der Nebel ließ es nicht zu. Er teilte sich nicht von selbst, und es gab auch keinen Propheten, der ihn teilen konnte. Er blieb, dick und dicht, wabernd und wogend und alles umschließend, ein ätherisches Dach mit vier stabilen Wänden, ein geisterhafter Mantel, der sie zudeckte und einpackte und gefangen hielt. Das warme Meer braute ihn zusammen, und die kalte Luft hauchte ihm Leben ein, ein Miasma aus Gasen, Dämpfen und Feuchtigkeit, selbstleuchtend dank seiner eigenen fremdartigen Chemie.
»Verdammte Suppe«, schimpfte Gosling. »Wenn wir nur etwas sehen könnten ...«
Kurz darauf holte das Nebelhorn Luft und ertönte erneut, doch diesmal klang es fern und einsam und verloren. Ein gespenstischer Laut, wie von einem Meeresungeheuer, das beim Untertauchen brüllte. Und als es noch einmal erklang, konnten sie es kaum noch hören.
»Weg«,
Weitere Kostenlose Bücher