DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
Heck mittlerweile geräumt.
»Wenn ich eine Knarre hätte«, sagte Gosling, »würde ich das hässliche Mistvieh erschießen ...«
Und es war hässlich. Absolut potthässlich. Wie etwas, das man unter einem Holzklotz hervorkrabbeln sah und instinktiv zertrat, ohne weiter darüber nachzudenken. George verspürte es ebenfalls, auch wenn er den Ekel, den diese Kreatur bei ihm hervorrief, nicht genau hätte beschreiben können. Er wollte es nicht unbedingt töten – aber er wollte es ganz bestimmt nicht knuddeln. Es wirkte so abstoßend und abscheulich, dass man hinsehen musste. Wie bei Spinnen, die sich paarten, konnte man den Blick nicht losreißen, obwohl man schon beim Gedanken daran ein Kribbeln spürte und die Eingeweide sich zusammenzogen.
Es gehörte in ein Präparatglas oder ausgestopft ins Museum – aber lebendig und vital durfte es nicht sein.
Nur ein dummes Tier, dachte er. Es ist neugierig. Früher oder später langweilt es sich und verschwindet.
Es erinnerte ihn an einen bizarren mutierten Totenkopffalter.
Einen, den man mit einem schleimigen Wesen aus einem urzeitlichen Meer gekreuzt hatte.
Und dieses Geschöpf – Vogel oder Fledermaus oder Fisch – hing einfach dort in der Luft. Es schlug mit den Flügeln und sein Körper kippte nach vorn, dann wieder zurück, wie um das Gleichgewicht zu halten. Als es nach hinten kippte, konnte George erkennen, dass einige Parasiten, die wie Schiffshalterfische aussahen, von seinem Bauch herunterbaumelten. Sie erinnerten an entleerte Ballons. Als es wieder nach vorne kippte, erkannte er so etwas wie einen Kopf. Eine schmale Scheibe ohne Augen, aber mit vier blassgelben segmentierten Stielen, die wie Hummerantennen durch die Luft peitschten. An den Spitzen befanden sich hellrosa Knoten, wohl eine Art Sinnesorgan.
Und es hatte ein Maul – einen senkrechten Einschnitt, der sich in seitlicher Richtung bewegte statt auf und ab, so wie bei einer Spinne. Dahinter befanden sich keine Zähne, sondern ein sich windendes, weißes zungenartiges Gebilde. Während die Männer es noch anstarrten, wickelte sich das Gebilde ab wie ein Seil von einer Trommel und fuhr aus, um die Luft zu testen. Hohl wie ein Gartenschlauch, auch in etwa so dick. Es schoss vielleicht 15 oder 20 Zentimeter aus dem Maul heraus wie eine Froschzunge auf der Jagd nach einer Fliege.
Cushing stieß mit dem Ruder in die Richtung der Kreatur, und sie zuckte zurück, entfernte sich aber nicht. Sie kam womöglich sogar etwas näher. Wie ein Kolibri hing sie in der Luft, mit flatternden und heftig vibrierenden Flügeln.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte George.
Als hätte es ihn verstanden, gab das Biest ein seltsam zischendes Geräusch von sich, eine Art Schwirren wie von einer Heuschrecke auf einer fernen Wiese.
»Ich verschwende ungern eine Leuchtfackel dafür«, sagte Gosling, »aber mir gefällt sein Blick nicht.«
»Also, irgendwas müssen wir tun!«, rief Soltz, der es nicht länger aushielt, nur untätig dazusitzen und diese Monstrosität anzustarren. »Wir können doch nicht nur herumsitzen!«
Womöglich hörte das Biest es, womöglich spürte es den Stress in Soltz’ Stimme oder hatte nur lange genug abgewartet – jedenfalls wirkten Soltz’ Worte wie ein Katalysator. Als hätte jemand dem Tier einen Elektroschocker an den Hintern gehalten. Es wich leicht zurück, ließ sich bis dicht über das Wasser sinken und kam dann wieder hoch. Zunächst wirkte es, als wolle es die Segel streichen, doch dann stieß es mit Schwung nach vorne.
Es schoss über das Floß hinweg, und eine der Krallen an der Flügelspitze schlitzte einen Stabilisierungsbogen auf. Es wendete und flog noch einmal über das Floß, und die Männer konnten nicht viel mehr tun, als dem Zischen der entweichenden Luft zu lauschen und zu registrieren, dass es einen weiteren Bogen erwischte.
»Passt auf!«, schrie Gosling. »Vorsicht! Köpfe runter, verdammt!«
Und alle duckten sich und schrien und krabbelten wild durcheinander, um dem Biest auszuweichen. Mit einem merkwürdig trillernden Geräusch startete es einen neuen Anflug. Cushing duckte sich unter der tödlichen Masse weg, und George schaffte es fast. Doch als er sich zu Boden warf, hob er instinktiv den Arm, um sein Gesicht zu schützen, und eine der braunen Klauen kratzte ihn vom Ellbogen bis zum Handgelenk. Und mit diesem Kratzer hatte er noch Glück. Ein paar Zentimeter weiter, und die Kreatur hätte ihm den Arm abgetrennt wie bei einer chirurgischen Amputation.
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