DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
Stimme löste keine Reaktion ihrer Tentakel aus.
»Ja«, meinte Cushing. »Was jetzt?«
»Wir warten«, erklärte Gosling.
»Ich hab die Schnauze voll vom Warten, Gosling. Ich halt’s nicht mehr aus«, schimpfte George und wusste, dass das tote Meer es schließlich doch noch schaffte, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Er konnte fast spüren, wie sich sein Verstand aus der sicheren Verankerung löste. »Ich kann nicht mehr. Warum schießen Sie nicht mit der Leuchtpistole auf das Scheißvieh? Wollen doch mal sehen, ob es auch Schmerzen empfindet!«
»Und es wütend machen?«
»Warum nicht?«
»Warum nicht? Haben Sie nicht gesehen, was das Mistvieh mit Soltz angestellt hat, als es wütend war? Sie wollen, dass ich ein Loch in das Biest brenne, um es so richtig sauer zu machen? Meinetwegen, ich bin dabei. Aber sagen Sie mir erst, was Sie tun wollen, wenn es auf uns losgeht, wenn es das Floß angreift. Verraten Sie mir das, Sie Superhirn!«
George merkte, wie er rot anlief. »Also sollen wir nur dasitzen wie beschissene Feiglinge und darauf warten, dass es den Zeitpunkt unseres Todes bestimmt?«
»Halten Sie die Klappe, Sie Idiot«, fuhr Gosling ihn an.
»Hört auf, ihr zwei«, mischte Cushing sich ein. »Das führt doch zu nichts.«
»Halt die Klappe«, sagte George. »Unser Meister und gottverdammter Commander hier will, dass wir rumsitzen und warten, bis dieses verfickte Seemonster das nächste Mal Hunger kriegt! Also, ich hab nicht vor, zu warten. Wenn wir schon sterben müssen, dann lasst uns wie Männer sterben! Zeigen wir dem Mistding, was in uns steckt.«
Gosling schüttelte den Kopf. »Kommen Sie, George, seien Sie nicht dumm. Es bringt nichts, es zu reizen. Sehen Sie es sich doch an! Es sieht tot aus – Soltz könnte es verwundet haben.«
»Ja, oder es wartet nur ab. Lauert auf den richtigen Zeitpunkt, sich auf uns zu stürzen.«
»Sie trauen dem Biest zu viel zu, George. Es ist nur eine Qualle. Ein primitives Tier, das nicht denken oder Pläne schmieden kann. Eine niedere Lebensform – es reagiert nur, stimmt’s, Cushing?«
Cushing nickte. »Genau. Es reagiert auf äußere Reize. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es intelligent ist, nicht einmal so schlau wie eine Maus.«
George wusste, dass er sich lächerlich verhielt, dass er plötzlich zum schwächsten Glied der Kette geworden war, aber er wollte nicht klein beigeben. Nicht jetzt. »Woher zur Hölle willst du das wissen, Cushing? Ich meine, wirklich, woher willst du das wissen! Das ist keine Qualle wie bei uns zu Hause. Ihre Evolution ist wahrscheinlich ganz anders abgelaufen. Bestimmt kann sie denken. Bestimmt kann sie Pläne schmieden. Und dann?«
»Dann sind wir wahrscheinlich am Arsch, George«, sagte Gosling. »Sonst noch Fragen?«
»Wir sollten es alle etwas ruhiger angehen lassen.« Cushings Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. »Entspannt euch. Einer Qualle Intelligenz zuzuschreiben, ist eine ziemlich gewagte Theorie, George. Es könnte möglich sein, ist aber wenig wahrscheinlich. Nach allem, was wir wissen, ist sie wirklich verletzt, wie Gosling schon vermutet. Dann steckt nicht mehr viel Energie in ihr – oder gar Leben. Allerdings sind Quallen definitiv anders aufgebaut als wir, deshalb kann für sie eine Verletzung etwas ganz anderes bedeuten als für uns.«
George seufzte. Sie hatten recht. Natürlich hatten sie recht. »Verdammt ... es ist nur dieses Warten. Es macht mich fertig.«
»Es gibt nicht viel, was wir sonst tun können«, sagte Gosling. »Eventuell schwimmt sie gleich weg.«
Aber Cushing widersprach. »Glaub ich nicht.«
Er zeigte auf die Qualle.
Jetzt sahen sie es auch. Sie sahen, wie sich diese widerliche Riesenqualle abrupt aufblähte wie ein Ballon. Sie erhob sich aus dem Wasser, ihr Schirm gekrönt von einem Kranz aus Algen. Auch die Schwimmkörper und Blasen, die den Schirm wie eine pulsierende Halskette umgaben, tauchten auf. Einige dicke, wimmelnde Tentakel kamen aus dem Wasser und strichen über den Algenteppich.
Für eine tote Qualle machte sie einen verdammt gesunden Eindruck.
Der Schirm wirkte rund und prall und aufgedunsen. Aus der Ferne, bedeckt mit dem Schmadder dieses ekligen Wassers, sah er aus wie nasser Kunststoff. Und dann, als könnte sie die Männer reden hören, verfärbte sich der Schirm der Qualle. Erst dunkellila wie eine besonders saftige Pflaume, dann zu einem rötlichen Violett verblassend und schließlich in kräftigem Pink. Aber damit hörte es noch nicht auf.
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