DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
wenn sich alles in einem anspannte und zusammenzog und jeden Moment explodieren konnte! Und im Hinterkopf regte sich der primitive Drang, zu kämpfen, sich zur Wehr zu setzen, so lächerlich die Vorstellung auch sein mochte.
Es gab keine Chance auf einen Sieg gegen etwas von dieser Gewaltigkeit; und doch sagte der Primitive in einem, dass es besser war, so zu sterben – kämpfend, ringend, um sich schlagend, mit Blut im Mund –, als es ohne Gegenwehr hinzunehmen. Als dazusitzen und es geschehen zu lassen. George hielt das für eine durchaus vernünftige Idee. So tötete die Qualle sie schneller. Die unverschämte Dreistigkeit, dass jemand auf ihre Tentakel einschlug, dürfte sie nur sauer machen. Und ein schneller Tod schien allemal besser als dieses Warten. Besser, als zu spüren, wie sich das eigene Gehirn in Matsch verwandelte, wenn einen die Fangarme wie lebendige Seile umschlangen.
George glaubte nicht, dass er es ertragen könnte, von diesem Vieh berührt zu werden. Absolut undenkbar. Der reine Horror. Wie von einer Spinne eingesponnen zu werden und zu spüren, wie sie einen aussaugte.
Die Tentakel wanden sich weiter, glitten über- und umeinander wie ein Nest voller Schlangen, die langsam erwachten.
Die Minuten tickten dahin.
George konnte jetzt hören, wie die Tentakel quietschend an den Seiten des Floßes entlangschabten. Es waren viele, sie tasteten und kratzten und sondierten. Einer von ihnen erhob sich, schwebte direkt über Soltz’ Kopf, und alle an Bord hielten die Luft an – er bewegte sich nur wenige Zentimeter an seinem Gesicht vorbei, fand den Rand des Floßes, tappte darauf und tauchte ab.
Doch das war noch nicht das Ende.
Die Tentakel wurden plötzlich sehr geschäftig. Es schien, als sei das Gelee tatsächlich zu einem gewissen Grad intelligent, denn es tastete das Floß systematisch ab und versuchte, sich ein Bild davon zu machen. Eines der Tentakel glitt an der Seite des Floßes herauf und wand sich ins Innere, berührte alles, was es fand – die Decke, die Soltz’ Beine bedeckte, ein Ruder, die Fächer mit der Notausrüstung. Es fand einen Leuchtstab und zuckte zurück, als sei ihm die Berührung unangenehm. Dann glitt er wieder über den Rand ins Wasser. Vier oder fünf weitere schoben sich an der Kante des Floßes entlang, als suchten sie nach etwas.
Einer davon kam George bedenklich nahe.
Er wies das bleiche, wächserne Gelb eines Flaschenkürbisses auf. Ein sich windendes gummiartiges Etwas wie ein großer, blinder Wurm im Kompost. Nicht aggressiv, nur neugierig. Er streifte ganz leicht die Spitze von Georges Stiefel, schenkte ihm aber keine Beachtung.
Und George, dessen Kopf sich heiß und leer anfühlte, dachte: Was um alles in der Welt will es? Wonach sucht es?
Andere Tentakel bewegten sich sehr dicht an Gosling und Cushing vorbei. Cushing musste seinen Arm einziehen, um einem von ihnen auszuweichen.
Es gab vieles über diese Kreatur, das Cushing den anderen gerne erzählt hätte. Er kannte sich mit Quallen aus, hatte eine Menge darüber gelesen, aber das hier war keine richtige Qualle. Bei Quallen, wollte er ihnen erklären, handelte es sich um Hydrozoen, Kolonien spezialisierter Zellen. Quallen verhielten sich nicht so. Sie konnten nicht mit ihren Tentakeln umhertasten und Gegenstände ergreifen. Und er wollte ihnen sagen, wenn sie hier eine Qualle vor sich hatten, dann mussten ihre Tentakel mit brennenden Nesselzellen besetzt sein.
Das einzig Positive war, wie die Männer feststellten, dass es nicht allzu viele der kundschaftenden Tentakel gab. Soweit sie erkennen konnten, besaß das Biest davon nur ein paar Dutzend. Das klang nach viel, bis man sich klarmachte, dass die Qualle insgesamt einige Hundert Fangarme hatte. Die meisten waren schmale, dünne Anhängsel, die im Wasser trieben wie lange Strähnen blonder Haare.
Es hätte noch Stunden oder Tage so weitergehen können oder zumindest so lange, bis das Quallenmonstrum sich langweilte oder auszutrocknen drohte und untertauchen musste, um zu rehydrieren – wäre da nicht Soltz gewesen. Soltz erwachte in einer Art Delirium, er setzte sich stöhnend und schwer atmend auf und leckte sich die Lippen. Sein gutes Auge schaute sich um, aber benommen und unkoordiniert, verwirrt. Er schob die Decke zur Seite, und sofort bewegten sich die großen Tentakel wieder, ringelnd und sich windend.
»Was?«, keuchte er atemlos. »Was ist das? »Was ... was ... was?«
Der Klang seiner Stimme löste chemische Veränderungen im
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