DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
Schirm der Qualle aus. Die Farbe wechselte von diesem fahlen Purpur zu einem sanften Gelb und nahm dann das grelle Orange und feurige Rot eines Sonnenuntergangs an.
»Soltz ...«, flüsterte Gosling, aber es half nichts.
Zwei Fangarme glitten an der Seite des Floßes herauf wie Schlangen. Soltz sah sie nicht. Er warf die Decke zur Seite und auf die Tentakel, und sie wanden sich wie Regenwürmer im direkten Sonnenlicht.
»Farben«, sagte Soltz, »seht euch diese grässlichen Farben an ...«
Also schien er die Qualle wahrzunehmen. Denn selbst die Tentakel leuchteten jetzt orange und rot. Die Schwimmkörper und Blasen um den Schirm herum weiteten sich und schrumpften in schneller Abfolge, der Schirm zitterte. Drei oder vier weitere Tentakel schlängelten sich ins Boot. Soltz nahm ein Ruder und schlug nach ihnen. Sie wären niemals kräftig genug gewesen, einen Menschen über Bord zu ziehen, denn als das Ruder eins von ihnen traf, das sich wie eine Klapperschlange in Verteidigungsposition erhoben hatte, explodierte das Tentakel in einem Schleimregen. Der Quallenschirm färbte sich knallrot, und jetzt stürzten sich ein Dutzend Fangarme auf Soltz. Einige wurden vom Ruder getroffen und zerplatzten, aber er reagierte nicht schnell genug.
Zwei oder drei weitere schlängelten sich um ihn, und sofort ließ er mit einem lauten Schrei das Ruder fallen und schlug um sich, als die Nesselzellen der Tentakel ihm ihr Gift injizierten. Er richtete sich starr wie eine Säule auf, ein weiteres Dutzend Arme umschlangen ihn, und klatschend stürzte er ins Wasser, mitten in den wimmelnden Tentakelwald der Qualle.
Cushing schrie auf, aber Gosling hielt ihn fest.
Sie konnten Soltz nicht helfen.
»Tut doch was!«, rief George. »Wir können ihn doch nicht ...«
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Gosling, den das alles nur noch anwiderte. »Wir können nichts tun ... Sehen Sie lieber nicht hin.«
Aber George sah hin. Unmöglich, es nicht zu tun. Wie bei jemandem, der vor die U-Bahn stürzte – man musste einfach hinschauen. Denn das, was man sah, mochte weniger schlimm sein als das, was die Fantasie einem zeigte, wenn man wegschaute.
Soltz war nicht bei klarem Verstand gewesen, als er die Tentakel angegriffen hatte. Für ihn war es nur ein Traum, und er hatte mit traumartiger Logik reagiert. Als die Tentakel ihn berührten, spürte er sofort einen gewaltigen brennenden Schmerz, der sich über seine nackten Arme und das Gesicht ausbreitete. Als werde er mit rot glühenden Nadeln gestochen. Der stechende, sengende Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Er schrie.
Und dann war er im Wasser und zappelte in einem Meer aus kriechenden, wimmelnden Algen, nur dass diese Algen in Flammen zu stehen schienen und er mit ihnen. In einem Nest aus Tentakeln schlug er wild um sich. Sie bedeckten sein Gesicht und hatten sich um seine Arme geschlungen. Viele waren abgerissen und hingen als Fetzen und glänzende Häute auf ihm. Der Schirm der Qualle pulsierte und zitterte in einem fahlen, siedenden Rot, und Soltz nahm einen vergeblichen Anlauf zu schreien, sein Mund voll mit gallertartiger Quallensubstanz, während die Nesselzellen neue Ladungen Nervengift in ihn hineinpumpten.
Jemand rief nach ihm, aber die Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. Sie klang gedämpft und unwirklich. Er versuchte, sich zu befreien, aber es war aussichtslos. Die Quallententakel gaben ihn nicht frei. Gewaltige qualvolle Wellen krampfartiger Schmerzen fuhren ihm durch Beine, Bauch und nun auch Hände und Arme, als er um sich schlug und darum kämpfte, freizukommen.
»Ah, ahhhh!«, keuchte er, als sein Mund voll Wasser lief. »Helft mir! Helft miiiiir! «
Er zerrte an Tentakeln und Schwimmblasen, riss Löcher in den Quallenkörper.
Er trat um sich und planschte und zog an den giftigen Peitschen um sich herum, wurde dabei nur noch dichter umschlungen. Sein Körper wurde von unerträglichen Qualen zerrissen, die ein summendes Rauschen in seinem Kopf erzeugten.
Er hörte Stimmen rufen, schreien, brüllen.
Aber sie waren schwer zu verstehen unter seinen eigenen gellenden Schreien, die jetzt leiser wurden, als verhallten sie in einem leeren Raum. Die Schmerzen fühlten sich unwirklich und allumfassend an. Sie blendeten alles andere aus. Wie eine unmögliche, unvorstellbare Wand aus Qualen, die sich um ihn herum erhob. Er schien immer tiefer zu sinken, umarmt von tastenden Armen, sein Mund voll mit einem brennenden Schleim, der seine Zunge anschwellen
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