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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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ihm Tränen in die Augen stiegen.
    Er spürte, wie seine Hand nach oben zum Riegel wanderte, wie seine Finger darüberstreiften, wie etwas auf der anderen Seite der Tür erregter wurde, schwerer atmete, fast keuchte mit einem feuchten, sabbernden Geräusch. Oh ja, es war glücklich, so glücklich.
    »Crycek!«
    Es war Cook. Er saß aufrecht in seiner Koje, seine Augen nichts als leuchtende schwarze Löcher. »Was machst du da?«
    Crycek öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hielt aber inne – er wusste selbst nicht, was er da gerade tat. »Da war jemand ... jemand an der Tür. Er wollte reinkommen.«
    Cooks Stimme klang dünn und trocken. »Wer? Wer war an der Tür?«
    »Es ... es war Morse. Captain Morse.«
    »Morse ist tot, Crycek.«
    Crycek nickte. »Ja, das ist er ... aber er wollte trotzdem reinkommen.«
    Er ging zurück zu seiner Koje und legte sich hin. In seinem Kopf hörte er einen weit entfernten Schrei.
    17
    Vielleicht erwarteten sie ein Seeungeheuer.
    Vielleicht etwas noch Schlimmeres. Aber an diesem verfluchten Ort hätten sie sich nicht einmal gewundert, wenn der Weihnachtsmann mit seinen Rentieren aus dem Nebel gekommen wäre und den Osterhasen mitgebracht hätte. Hier war man irgendwann bereit, alles zu glauben. So fiel es leichter.
    Stattdessen sahen sie ein anderes Rettungsboot der Mara Corday . »He, ihr Penner da drüben«, rief eine Stimme. »Habt ihr Bier an Bord?«
    »Klar«, antwortete Cushing. »Haben gerade das Fass angestochen!«
    »Vergiss nicht, ihnen von den Stripperinnen zu erzählen«, grinste Gosling.
    Sie ruderten hinüber und erkannten Marx, den Chefingenieur der Mara Corday. Bei ihm befanden sich zwei junge Matrosen, Pollard und Chesbro, beide noch keine 25. Als sie sich vorstellten, merkte George, dass Marx – mit Bikerbart, kahlem Schädel und zäh wie Krokodilleder – zwar in guter Verfassung zu sein schien, die beiden Jungs hingegen weniger. Pollard machte einen geschockten und verstörten Eindruck, als sei er gerade aus einem Schützengraben gekrochen. Seine Augen blickten glasig und starr und beobachteten etwas im Nebel, das nur er allein sehen konnte. Und Chesbro – er beteuerte immer wieder, dass alles Gottes Wille sei.
    Das gefiel George.
    Er hatte nicht viel mit Religion am Hut, aber er hatte auch keine Probleme damit. Seiner Meinung nach konnte Glaube eine ganz gute Sache sein, wenn man ihn im Griff hatte und nicht umgekehrt. Das Problem war nur: Wenn man sagte, dass alles dem Willen Gottes entsprach, verbarg sich dahinter eine Kapitulation. Und wenn er sich Chesbro so ansah, erkannte er deutlich, dass der Junge längst aufgegeben hatte. Ein magerer, junger Mann mit spärlichem rotem Haar, Sommersprossen und toten grauen Augen. Die Verzweiflung haftete an ihm wie Flechten an einem Stein.
    Es brach einem das Herz, die beiden anzusehen.
    So jung und so ... leer.
    Nicht dass es George so viel anders ging. Er wusste in letzter Zeit nicht mehr so recht, was noch in ihm steckte. Schwer zu sagen. Manchmal war er voller bohrender Hoffnung, dann wieder überkam ihn ein trostloser Pessimismus und er fragte sich, was um Himmels willen sie nur machen sollten, wenn ihnen Verpflegung und Wasser ausgingen. Er wusste nicht einmal genau, wie lange sie schon in diesem Nebel steckten. Ein paar Tage bestimmt ... nicht mehr als drei oder vier, aber, verdammt, manchmal kam es ihm vor, als könnte es schon eine Woche oder ein Monat oder ein Jahr sein. Und wenn er versuchte, sich an das Leben vor dem toten Meer zu erinnern, an die reale Welt – dann fiel ihm das zunehmend schwer. Es kam ihm alles so verschwommen vor wie ein Foto von einer fliegenden Untertasse oder von Bigfoot. Wie ein unscharfes Bild. Als versuchte man nachmittags noch, sich klar an einen Traum aus der letzten Nacht zu erinnern. Dann kam es ihm vor, als sei er nie woanders gewesen als hier, als handele es sich beim Rest nur um etwas, das er einmal geträumt hatte.
    Er wusste, dass solche Gedanken kein gutes Zeichen waren.
    Aber sie steckten trotzdem in seinem Kopf.
    Irgendwo dort draußen habe ich eine Frau und einen Sohn, wahrscheinlich Lichtjahre von hier entfernt. Irgendwie muss ich es schaffen, sie wiederzusehen. Ich muss. Ich kann doch nicht in diesem Höllenloch sterben, das geht nicht. Die Vorstellung, dass sie den Rest ihres Lebens mit der unbestätigten Vermutung leben müssen, dass ich auf See verschollen bin, finde ich unerträglich. Ich muss hier rauskommen – und sei es nur ihretwegen, nicht

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