DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
alles okay?«
Alle sahen ihn an.
Gosling schüttelte ihn.
Und ihm wurde bewusst, dass er seinen Mund weit aufgerissen hatte, seine Augen stierten und er stumm schrie. Aber dann war es vorbei, und er befand sich wieder auf dem Floß, und da war nichts, nichts außer einer Menge Schiffswracks und einer Handvoll Männer, die wissen wollten, was um alles in der Welt mit ihm nicht stimmte.
Aber er konnte es ihnen nicht sagen. »Es ... ist nichts«, war alles, was er herausbrachte.
Natürlich glaubte ihm keiner, und lange nachdem die anderen ihre Augen abgewandt hatten, beobachtete Pollard ihn noch immer und wusste vieles, was er nicht wissen sollte, aber so geschah es nun einmal hier an diesem Ort. Es musste an den besonderen Schwingungen liegen. Empfindsame Geister konnten Botschaften empfangen, die sie eigentlich nichts angingen, und wahrscheinlich hatte Pollard seinen gedanklichen Aufschrei gehört.
Vermutlich hätten sie George über seinen kleinen Anfall ausgefragt, aber im Moment gab es andere und dringlichere Probleme.
»Seht mal da«, rief Marx. »Seht ihr das? Dort, direkt am Rand des Nebels!«
Sie sahen es. Eine riesige undeutliche Gestalt war unter den Algen oder durch sie hindurchgeschwommen, eine kolossale phosphoreszierende Form, die unter das Wrack einer alten Dreimastbrigg abtauchte und verschwand.
»Was zur Hölle war das?«, fragte Gosling.
Vielleicht hatten sie gehofft, dass Cushing ihnen eine rationale wissenschaftliche Erklärung dafür liefern konnte, aber er sagte nur: »Keine Ahnung. Ich hoffe nur inständig, dass es nicht zurückkommt.«
3
»Hunger«, stöhnte Menhaus. »Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie es ist, keinen Hunger zu haben.«
Saks fand das lustig. »Ja, aber schau dich doch an! Du hast schon einige Pfunde verloren. Gut siehst du aus. Stell dir vor, wie gut du erst aussiehst, wenn du noch einen Monat so weitermachst, oder zwei Monate, ein Jahr ...«
»Okay, Saks«, sagte Cook. »Noch einmal: Hör auf, den Leuten auf die Nerven zu gehen.«
»Ist doch nur ein Scherz gewesen, meine Güte. Falls du nicht weißt, was das ist, großer Häuptling: Man nennt es auch Witz oder Jux. Verdammt, Cook, seit du entschieden hast, dass du hier der Obermacker bist, bist du zu einer echten Spaßbremse geworden.«
Cook konnte nur seufzen.
Anführer? Oh Mann, ausgerechnet.
Und Anführer von was? Einem Rettungsboot mit vier Männern, die sich jeden Moment beim geringsten Anlass gegenseitig an die Kehle gehen konnten? Selbst Fabrini befand sich mittlerweile in keiner besonders guten geistigen Verfassung mehr. Nach dem, was sie an Bord der Cyclops gesehen und erlebt hatten, musste sich etwas in seinem Inneren ausgeklinkt haben. Übrig blieb etwas Reizbares und Wütendes, ständig auf der Suche nach etwas oder jemandem, an dem es seine Wut auslassen konnte. Cook hatte ein paarmal versucht, ihn aus seinem Loch herauszuziehen, aber jedes Mal war Saks dazugekommen und hatte gefragt, ob er Fabrini jetzt auch noch die Brust geben – oder ihm vielleicht den Arsch abwischen und ihn in den Schlaf singen wollte. Und Cook fragte sich, wie lange es noch dauerte, bis Saks und Fabrini wirklich aufeinander losgingen, bis sie ihre Messer zückten und Blut floss. Auf der Cyclops hatten sie wenigstens Platz genug gehabt, sich aus dem Weg zu gehen und eine Art Waffenstillstand zu schließen.
Sicher, Fabrini hatte sich erstaunlich gut gehalten, wenn man es recht bedachte. Immerhin hatte Saks ihm ein Stück von seinem Ohr abgesäbelt. Dafür hätten die meisten anderen sicherlich Rache gefordert, aber Fabrini ließ es dabei bewenden. Das fiel ihm bestimmt nicht leicht. Aber jetzt? Jetzt tastete Fabrini ständig sein verbundenes Ohr ab und warf Saks finstere Blicke zu. Es ließ sich nicht schwer erraten, was er dabei dachte.
Und Saks wusste das auch.
Cook musste die beiden ununterbrochen im Auge behalten.
Und er musste sich alleine darum kümmern, denn Menhaus quengelte nur noch herum und jammerte, und zwar rund um die Uhr. Er lebte in sich selbst zurückgezogen, redete zwar noch hin und wieder, aber mehr mit sich selbst als mit den anderen.
Und Crycek? Nun, Crycek hatte seine Phasen.
Also musste Cook mehr oder weniger allein durch diese dunklen Gewässer waten. Er musste sie voneinander fernhalten, musste ihnen Hoffnung machen, Saks zum Schweigen bringen, ihnen versichern, dass sie nicht verhungerten und keine Ungeheuer aus dem Nebel sie auffraßen. Und als wäre das noch nicht genug, musste er
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