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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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schmierigen Netzen und Geflechten, in Fäden und triefenden Ranken, in spinnwebenartigen Girlanden und bärtigen Trauben wie Dschungelmoos.
    Ja, so dick schienen der Seetang und der kriechende graue Pilz, dass sich kaum erkennen ließ, wo der Algengarten endete und wo die Schiffe anfingen. Denn die meisten der Wracks sahen gar nicht menschengemacht aus, sondern eher wie Gebilde, die die Natur aus wuchernden grünen und gelben Gewächsen als Verspottung von Menschenwerk geformt hatte.
    »Oh mein Gott«, keuchte George. Er verspürte gleichzeitig ein Hochgefühl und eine Niedergeschlagenheit, die er nicht abschütteln konnte. »Wie lange ... wie lange geht das schon so?«
    Marx starrte nur. »Wie lange wagen sich Menschen schon aufs Meer, mein Sohn?«
    Natürlich gab es auch neuere Schiffe. Schnittige Fähren und Fregatten mit Eisbrecher-Bugen und Radarstationen, mit Satellitenschüsseln und Funkantennen. Es gab kaum einen Schiffstyp, der hier nicht vertreten war, entweder als Ganzes oder in Stücken.
    »Habt ihr so was schon mal gesehen?«, staunte Gosling. »In eurem ganzen Leben?«
    Cushing schüttelte den Kopf. »Nein ... aber ich habe damit gerechnet, ich habe mit so was gerechnet. Ihr doch auch, oder? Habt ihr nicht auch damit gerechnet, im Grunde eures Herzens?«
    Cushing erzählte ihnen, dass dies die echte Sargassosee sei, der echte Friedhof der Schiffe, die große Ruhestätte der Weltmeere – aber nicht auf der Erde, wie die Seefahrer lange geglaubt hatten –, sondern hier, hier in diesem Pestkeller, in diesem triefenden, miasmatischen, nebligen Meer südlich von nirgendwo.
    »Davon haben sie erzählt«, rief Gosling aufgeregt. »Diese ganzen alten Geschichten über die Sargassosee, über den Friedhof der Schiffe, über des Teufels Friedhof – mein Gott, genau wie Sie sagen, Cushing: Hier ist er! Er ist nicht nur eine Legende, er existiert wirklich!«
    »Aye«, nickte Marx. »Es müssen Schiffe durchgefahren sein, das hier gesehen haben und zurückgekehrt sein, um davon zu berichten – und wahrscheinlich dachten die Leute die ganze Zeit, sie befänden sich in der realen Sargassosee.«
    George gefiel das ganz und gar nicht. Er fühlte sich wie ein Afrikaforscher, der den legendären Elefantenfriedhof entdeckt hatte. Er sah etwas, das er nie hätte sehen dürfen. Kein Mensch sollte das hier jemals zu Gesicht bekommen. Es gab Anblicke, die man besser den Legenden und Märchen überließ.
    Es herrschte eine schwache Strömung, nicht ausreichend für die großen Schiffe, aber gerade stark genug, um das Rettungsboot und das Floß tiefer in den trüben, dunstigen Sumpf zu ziehen.
    »Ich kann ja verstehen, dass die alten Segelschiffe hier gestrandet sind«, sagte Marx. »In eine Flaute geraten, tot im Wasser ... aber die ganzen Frachter und Dampfer, die müssten doch mit Leichtigkeit durch diesen Mist hindurchfahren können.«
    »Vielleicht ist der Algenteppich dicker, als er aussieht«, überlegte Cushing. Er tunkte das Ruder in die schwammige treibende Masse und fand kein Ende. »Nach allem, was wir wissen, könnte er einen Kilometer tief sein.«
    Gosling nickte. »Mag sein. Und selbst mit den größten Diesel- oder Dampfmotoren geht einem da früher oder später der Treibstoff aus, oder? Und was dann?«
    »Dann treibt man«, sagte Marx.
    »Und landet direkt wieder hier.«
    Sie dachten über die Hoffnungslosigkeit nach, über die unzähligen Schiffe, die hier gefangen waren, Fossilien in einer makabren Sammlung. Sie blickten sich um. In diesem Nebel sahen die gestrandeten Torsos unheimlich und gespenstisch aus, schwach beleuchtet von der unbekannten Lichtquelle. Die beiden Monde waren wieder herausgekommen, der große rote warf einen blutroten Glanz über Mastspitzen und Rahen, über Schornsteine und Ladebäume.
    Pollard sagte nichts. Er schien nicht gerade überrascht von dem Anblick zu sein. Chesbro dagegen schien regelrecht entsetzt zu sein.
    »Dieser Ort gefällt mir nicht«, flüsterte er. »Er sieht aus wie von Gott verlassen.«
    Da hatte er nicht ganz unrecht.
    Der Gottesacker in dieser unheiligen See war ruhelos und unsicher, eine abscheuliche Nekropole toter und ertrunkener Gegenstände und Lebewesen, schleimiger Substanzen, umschlungen von Algen und lichtscheuen Pilzen. Er erbrach, was er nicht in seinem schwarzen Leichenmagen behalten konnte: aufgeweichte Gräber und verschimmelte Särge, wurmstichige Schreine und zerfallende Grabkammern, treibende Gruften und rechteckige Holzkisten, verziert mit

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