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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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Unendlichkeit zu erstrecken schien. Und wo sich dieser Heuhaufen befand – nun, das war eine ganz andere Frage.
    Gosling beschäftigte sich mit dem Funkgerät und schien für alles andere unempfänglich zu sein.
    »Glauben Sie, dass wir hier heil herauskommen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Was sagt denn Ihre Seefahrerintuition?«
    »Dass wir im Arsch sind«, antwortete Gosling.
    Der und sein verdammter Pragmatismus. Er kümmerte sich nicht darum, die Moral hochzuhalten. Dafür fühlte er sich nicht zuständig. Er betrachtete alles realistisch. Und die Realität ihrer gegenwärtigen Lage bestand darin, dass sie entweder überlebten oder starben. Seine Meinung tendierte in keine Richtung. Was geschehen musste, musste geschehen.
    »Wissen Sie, was ich an Ihnen so liebe, Gosling? Ihren Optimismus. Damit heben Sie meine Stimmung ungemein.«
    »Ich bin nicht Ihr Therapeut. Es ist nicht mein Job, Sie glücklich zu machen.«
    »Ja, aber ich war an Bord Ihres Schiffs. Ihre Jungs haben uns in dieses verfluchte Totenreich gesteuert. Ich finde, dann sind Sie auch dafür verantwortlich, meinen Arsch an einem Stück aus dieser Scheiße rauszubekommen.«
    »Gut, wenn wir zurück sind, können Sie gerne eine Beschwerde bei der Küstenwache einreichen. Aber bis dahin hören Sie bitte auf, in einer Tour zu jammern.«
    Er spielte weiter am Funkgerät herum, plötzlich mit größerer Aufmerksamkeit als vorher. Er gab immer wieder ein leises hmmm von sich wie ein Zahnarzt, der sich nicht entscheiden konnte, welchen Zahn er ziehen sollte. Es machte George wahnsinnig.
    »Empfangen Sie etwas?«
    Gosling schüttelte langsam den Kopf. »Nein ... und ja. Ich dachte vorhin ... ich dachte, ich hätte den Abschluss eines Notrufs aufgefangen, aber er wurde von Rauschen verschluckt. Ich bin mir nicht sicher. Möglicherweise geht von diesem Nebel eine Art elektrisches Feld aus, das unsere Signale stört.«
    »Und was genau bedeutet das?«
    »Das bedeutet, dass er alle Wellen bis zur Unkenntlichkeit verzerrt«, sagte er und zog sich den Ohrhörer heraus. »Es kann ein anderer Ruf gewesen sein, aber auch unserer, der auf uns zurückgeworfen wurde – schwer zu sagen. Dieses Rauschen verschluckt alles und kotzt es wieder aus.«
    George lauschte andächtig den technischen Details, verstand aber rein gar nichts. Er kannte Radios – man drehte sie an, um den Wetterbericht zu hören, und drehte sie wieder ab, wenn Neil Sedaka oder die Four Seasons kamen. Darüber hinaus wusste er nichts.
    Er rückte näher zu Gosling und lauschte mit ihm zusammen dem Rauschen.
    Ein leeres, totes Geräusch, das anschwoll und wieder leiser wurde. Hin und wieder meinte man, ein fernes Piepen oder ein Ping zu hören – aber sicher konnte man nicht sein. George hörte gebannt zu und fühlte sich wie ein Astronom, der mit seinem Radioteleskop der Musik der Sphären lauschte, den Klängen des Weltalls auf der Suche nach einem intelligenten Signal. Ja, genau so klang es. Wie tote, weit entfernte Leere und die hallende Schwärze zwischen den Sternen.
    Es zerrte an seinen Nerven.
    Ähnlich wie das Geräusch, das ein Fernseher früher nach Sendeschluss machte, wenn man in dieses Schneegewusel starrte. Und wenn man zu lange hineinschaute, fing man an, Gestalten herumschwirren zu sehen, dann wurden die Millionen Punkte und Flecken zu Mustern, die einen einzusaugen schienen – zu Spiralen und wandernden Rauten. Aber sie waren nicht real, nichts von alledem. Nur der menschliche Geist, der sich von diesem wirren, sinnlosen Nichts beleidigt fühlte und kurzerhand die Leerstellen füllte. Genau wie in Wüsten und Schneestürmen, wo er Wunder erschuf, weil er Bilder brauchte.
    George hörte weiter zu. Er war sicher, dass er etwas hörte – er wusste nur nicht, was.
    In diesem Sturm aus weißem Rauschen konnte ein Mensch sich verlieren. Er konnte in Dunkelheit und Wahnsinn versinken. Es konnte ihm den Verstand aussaugen, bis nur noch ein blank polierter Schädel übrig blieb. George fand, dass das Rauschen wie wirbelnder Staub und zischendes Gas klang, wie Höhlen und Abgründe. Ein gespenstischer, fast diabolischer Laut nicht der Leere, sondern einer Präsenz. Als lauere dort eine Wesenheit, nicht unbedingt lebendig oder tot, aber abwartend, lauschend und begierig darauf, fremde Bewusstseine zu berühren. Es erinnerte ihn an ESP-Aufnahmen, die Gespensterjäger in Gruften und leer stehenden Häusern festhielten – statisches Rauschen, durchdrungen von fernen Echos, Andeutungen von

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