DEAD SHOT
behalten. Hätten die Syrer ihn töten wollen, hätten sie es längst getan. Aber da dies Syrien war, könnten sie ihn immer noch umbringen. Abwarten.
Schließlich ging hinter ihm die Tür auf, und eine freudige Stimme rief: »Jeremy! Es ist lange her, dass wir uns unterhalten haben!«
Herein kam ein Mann, der nicht viel größer als einen Meter sechzig sein mochte. Als er lächelte, leuchteten seine weißen Zähne unter dem dichten Schnurrbart hervor, doch die dunklen, intelligenten Augen blieben unergründlich. General Yousif al-Shoum, Leiter des syrischen
Militärsicherheits-Direktorats, trat tiefer in den Raum und warf eine Aktenmappe mit blauem Cover auf den Schreibtisch, ehe er Platz nahm. Ein junger Mann mit weißer Tunika folgte und brachte ein Tablett mit kalten Getränken und dampfendem Tee. Schweigend stellte er das Tablett auf den Tisch und verließ das Büro wieder.
»Bitte, bedienen Sie sich. Sie müssen durstig sein nach so einem langen Flug.« Das Englisch war makellos, da al-Shoum lange als Diplomat und Spion in London und New York Dienst getan hatte.
Juba entfernte die weiße Kappe von der Flasche Wasser und trank. »General al-Shoum. Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie heute zu sehen.«
Der kleine Mann lachte. »Sie kommen nach Damaskus, statten mir aber nicht einmal einen Höflichkeitsbesuch ab? Ich bin entsetzt.« Er schlug die Mappe auf und suchte unter den Papieren eine Kopie der Nachricht von Interpol heraus. »Das Gesichtserkennungsprogramm identifizierte Sie, als Sie in Vancouver eincheckten, trotz der Verkleidung. Sie hätten es fast geschafft, aber fast reicht eben nicht.«
»Was soll nun geschehen?« Juba blieb ruhig.
»Ist Ihnen auf der Fahrt durch die Stadt aufgefallen, dass Sie an dem Grabmal Saladins vorbeigefahren sind? Ich meine jetzt den richtigen Saladin, nicht Ihren ehemaligen Partner. Ich möchte nicht unbedingt ein Grab für Juba hier in der Stadt haben.«
Juba rührte sich nicht, obwohl er wusste, dass al-Shoum die Drohung in die Tat umsetzen würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Man gab ihm hier zu verstehen, dass er zwischen
Verhandlungsbereitschaft und dem Tod wählen konnte. »Ich hatte nicht viele Möglichkeiten. Mein Plan ist es, wieder in den Irak zu gehen, um Amerikaner zu töten.«
»Aber das, Juba, entspricht leider nicht meinem Plan.« Al-Shoum lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Jedes Land auf der Welt wird bald wissen, dass Sie in Damaskus gelandet sind und den Gestank der Tat hinter sich herziehen, die Sie in San Francisco verübt haben. Die Zahl der Todesopfer beläuft sich inzwischen auf viertausendfünfhundert. Erstaunlich. Die Amerikaner sehnen sich richtig nach Ihnen.«
»Sie können also in Washington punkten, wenn Sie mich ausliefern?« Juba zog eine Braue hoch. Al-Shoum hatte viele Facetten und beherrschte mehrere Spielarten auf einmal.
»Das wäre eine Option.«
»General, reden wir nicht um den heißen Brei herum. Welche Option bevorzugen Sie?«
»Warum so eilig, Jeremy? Nun, zunächst möchten wir unsere zehn Millionen Dollar zurück.«
»Kein Problem«, sagte Juba. »Plus eine weitere Million für Sie persönlich, für die Unannehmlichkeiten, die Sie meinetwegen hatten.«
»Was soll ich sagen? Der internationale Druck ist schon sehr groß.«
»Dann also zwei Millionen. Auf ein Bankkonto Ihrer Wahl.« Bestechung, Bakschisch , war immer noch die stabilste Währung im Nahen Osten.
Al-Shoum stand auf, kam um den Tisch herum und setzte sich wieder auf einen Stuhl, auf dem er klein und verloren wirkte, bis er sich ein Kissen unter den Hintern schob. »Können Sie das von hier aus machen?«
»Wenn Ihre Leute mir mein Laptop bringen, ja.«
»Aber da ist noch ein Punkt. Die Angelegenheit der Auktion selbst. Ich habe beschlossen, dass wir den Zuschlag bekommen haben. Also müssen Sie mir die Formel geben. Eine wirklich mächtige Waffe, die Sie da in Kalifornien eingesetzt haben. Ich will sie haben.«
»Warten Sie einen Moment, General. Ich gebe Ihnen das Geld zurück und lege noch zwei Millionen drauf und die Formel gratis?«
»Das entspricht meinen Vorstellungen, Jeremy. Entweder das oder Sie werden auf der Flucht getötet … nachdem wir Sie gezwungen haben, uns die Informationen zu überlassen.« Die dunklen Augen bohrten sich nun in Jubas Gesicht, kalt wie Eis. »Wir werden die Formel bekommen. Freiwillig, unter Einsatz von Chemikalien oder mit scharfen Messern, das ist mir gleich. Ich
Weitere Kostenlose Bücher