DEAD SHOT
Kameraden machten. Kennen Sie diesen Schrei, den die Musliminnen ausstoßen, dieses schnelle Zungenschnalzen beim Stammesritual? Das stimmten die Weiber jedenfalls an, wie für eine feierliche Zeremonie oder so. Noch mehr Lichter gingen an.«
Die Worte strömten nur so aus seinem Mund, als glaubte der Soldat, er könne die schrecklichen Dinge aus seiner Erinnerung tilgen, indem er alles erzählte. Doch der Colonel ahnte, dass die Bilder des Grauens diesen Mann womöglich jede Nacht heimsuchen würden. Trotz all der Schrecken kam der Profi in ihm zum Vorschein, und so erstattete er erst Bericht, bevor er medizinische Hilfe in Anspruch nehmen würde.
»Alte Weiber, Sir, junge Mädchen und Mütter. Überall Frauen. Sie fielen wie ein Rudel Wölfe über die Toten her, zogen sie aus und machten sich dann mit langen Messern an die Arbeit … sie schnitten und schnitten.« Die Tränen strömten ihm wieder über die Wangen. »Sie schnitten Jenkins’ Kopf ab und warfen ihn in meine Richtung. Haut und Fleisch trennten sie ab, hackten Arme und Füße ab. Die Männer lachten und feuerten die Frauen noch an. Dann schlug mir wieder jemand hart gegen den Kopf, und ich verlor das Bewusstsein. Ich erinnere mich nur, wie mir jemand zu einem Bradley half. Die Turbanköpfe hatten mich irgendwo liegen lassen. Sir, es tut mir leid. Ich hab’s verbockt und konnte den Tod der anderen nicht verhindern.«
Der Colonel gab dem Arzt zu verstehen, die Spritze zu setzen. Als das Sedativum zu wirken begann und die Lider des Mannes flatterten, nahm Withrow die Hand des jungen Mannes in seine. »Unsinn, Soldat. Sie trifft keine Schuld.«
Der Patient wurde auf der Trage weggerollt, und Withrow trat einen Schritt zurück, stand einen Moment still da und wandte sich dann an seinen Stellvertreter. Neben ihm standen Kyle und Sybelle. »Wir werden die Toten bergen«, kündigte der Colonel mit fester Stimme an. »Die Schweinehunde wollten meine Aufmerksamkeit erregen, und das haben sie geschafft. Niemand tut so etwas meinen Leuten an.«
Swanson hatte den Worten des jungen Soldaten gelauscht. Das Maß war voll, auch für Kyle.
Kapitel neunundzwanzig
D er Colonel hatte eine Entscheidung gefällt und würde sie unter keinen Umständen revidieren. Aufgrund der eskalierenden Gewalt in Hargatt war der mit Swanson ausgehandelte 48-Stunden-Deal hinfällig geworden. Withrow musste handeln, bevor Hargatt oder sogar Tikrit in die Anarchie zurückfiel und die Leute in der Gegend den Amerikanern nicht mehr zutrauten, die Lage in den Griff zu bekommen. Ein zweites Fallujah drohte.
»Wir können nicht länger warten, Leute«, verkündete er der kleinen Gruppe, die sich in seinem Büro eingefunden hatte. »Wir haben keine Zeit mehr, die Informationen in allen Einzelheiten zu analysieren. Diese Häuser werden ins Visier genommen, und zwar mit Panzern, Bradleys und Apache-Hubschraubern. Wenn dieser verdammte Sniper das Feuer eröffnet, jagen wir ihm die Abrams-Panzer auf den Hals und zerquetschen den Scheißkerl im Dreck. Aus der Luft behalten die Apache-Piloten alle Fluchtwege im Blick.«
»Es wird zu erheblichen Kollateralschäden kommen, Sir«, gab der stellvertretende Offizier zu bedenken.
Die Zornesröte stieg Colonel Withrow ins Gesicht, als er wieder an die Frauen dachte, die seine Soldaten zerstückelt hatten. »Das ist mir im Augenblick scheißegal. Jeder, der sich jetzt noch in der Gegend aufhält, gilt in meinen Augen als feindlicher Kämpfer. Von diesen verdächtigen Häusern breitet sich der Hass wie eine verfluchte Seuche aus, und ich will diese Mistkerle tot sehen!«
Kyle betrachtete die jüngste Karte, die an der Wand des Büros hing, und ging in Gedanken den Einsatz durch, der auf die rot umkreisten Gebäude abzielte. Vier riesige M1A2-Abrams-Panzer sollten noch vor Tagesanbruch durch die Straßen rollen, hundert Meter von den Häusern entfernt an Straßenecken Stellung beziehen und die 120-mm-Kanonen abfeuern. Gleichzeitig würde ein Dutzend Bradley-Schützenpanzer vorrücken, drei Züge Infanteristen absetzen und mit den
Bushmaster-Maschinenkanonen Feuerschutz geben. Apache-Hubschrauber würden die Aktion von oben unterstützen und anderen Sturmfahrzeugen den Weg freihalten. Die volle Schlagkraft.
»Mr. Swanson? Sind Sie anderer Meinung?« Der Colonel legte es fast darauf an, Kyle herauszufordern.
»Nein, Sir. Das ist Ihre Show. Wenn Sie ihn kriegen, rücken wir nach und versuchen, die geheimen Unterlagen zu finden. Dafür braucht er nicht
Weitere Kostenlose Bücher