DEAD SHOT
worden waren. Durch eine weitere Tür gelangten sie über die nächste Treppe in ein Stockwerk darunter. Lagerräume auf der einen Seite, eine Art Kantine und medizinische Bereiche auf der anderen. Der Ort erinnerte von der Bauweise her an eine unterirdische Pyramide, die in den untersten Ebenen große Flächen aufwies und nach oben, im Verwaltungsraum, spitz zulief. Ganz unten wurde die Drecksarbeit gemacht, und Kyle und Travis drangen bis zur letzten Ebene mit all den Tunneln und Nischen vor. Kyle atmete auf, als er sah, dass die Verliese leer waren. Man hatte alle Gefangenen nach oben geschafft und umgebracht. An einer Zellenwand sahen sie, dass jemand mit einem Stein Zahlen in den Beton gekratzt hatte – 999. Hughes machte Fotos.
»Hier ist nichts mehr, Trav. Wir gehen wieder nach oben, nehmen die Papiere mit und hauen ab.« Kyle ging voraus und trat oben wieder ins Sonnenlicht. Ein ungutes Gefühl nagte an ihm, und er bildete sich ein, dass ihn dunkle Schatten aus der Tiefe nach unten ziehen wollten, hinein in eine der Zellen. Doch er schüttelte die hässlichen Gedanken ab.
Travis trat ins Freie und gab Joe Tipp ein Zeichen. Es war Zeit, die Gegend zu verlassen. »Alles sauber«, gab Tipp über Funk durch. »Vogel im Anflug.«
Kyle nahm zwei weiße Schutzanzüge von den Haken an der Wand und warf einen Travis zu. Zusammen stopften sie die Papiere auf dem Boden in die Anzüge. Wissenschaftliche Berechnungen, Notizblöcke, CDs und Dokumente, Briefe und stichpunktartige Aufzeichnungen. Aber sie wussten nicht, ob es sich nun um wichtige Unterlagen oder Müll handelte. Schließlich durchsuchte Kyle noch den toten Direktor und fand ein Handy und ein Portemonnaie. Beides warf er in den behelfsmäßigen Tragebeutel. »Raus hier«, sagte er.
Sie trotteten durch den Regen und ließen das Wasser alles abwaschen, das womöglich an ihren Schutzanzügen klebte. Joe Tipp wies den Helikopter an der Landezone ein. Neben ihm stand Delara.
Kyle und Travis blieben außerhalb des Radius der starken Rotorblätter, schälten sich aus ihren Schutzanzügen und ließen sie einfach liegen, ehe sie in den Pave Low stiegen.
»Was habt ihr entdeckt?«, fragte Tipp und zeigte auf die beiden prall gefüllten Schutzanzüge am Boden der Ladefläche. Ärmel und Beine waren verknotet, und aus den Halsausschnitten lugten Papiere hervor.
»Keine Ahnung. Ich bin kein Wissenschaftler«, meinte Travis. »Aber was auch immer auf diesen Zetteln steht, ich denke, die Typen vom Geheimdienst werden für die nächsten Monate ordentlich zu tun haben.«
Kapitel vierzehn
Paris
I n seinem ganzen Leben hatte Juba noch nie so viel Angst verspürt. Nach der Flucht von der kontaminierten Anlage hatte er wiederholt geduscht, glaubte aber in seiner Panik, dass er das Gift nie aus seiner Haut bekommen würde.
Sein Hubschrauber war auf einem kleinen Flughafen gelandet, wo Juba gleich duschte und frische Kleidung fand. Den ahnungslosen Piloten tötete er und versteckte die Leiche in einem Lagerschuppen. Danach mietete Juba ein kleines Flugzeug und flog zurück nach Teheran. Mit dem ersten internationalen Linienflug verließ er den Iran.
Erst als er im Four Seasons Hotel in Katar eincheckte, atmete er erleichtert auf, ließ sich zu seiner Suite bringen und stellte sich sofort wieder unter die Dusche. Er drehte das Wasser so heiß, dass er es kaum aushalten konnte, und bildete sich ein, dass immer noch Partikel der tödlichen Substanz in seinen Poren steckten, sich in die Haut gruben und die inneren Organe angriffen.
Immer wieder seifte er sich unter dem heißen Wasserstrahl ein und massierte den Schaum förmlich in die Haut, bis er am ganzen Körper rot war. Er hielt sein Gesicht in den Duschstrahl und spürte die Hitze in den Wangen. Wie verrückt schrubbte er sich sauber: zwischen den Zehen, unter den Fußsohlen, an allen erdenklichen Stellen. Er ließ sich Wasser in die Ohren laufen, verteilte Unmengen Shampoo im Haar, den Augenbrauen, unter den Achseln, im Schamhaar und der Ritze des Hinterns.
Sein Körper dampfte, als Juba endlich das Wasser abstellte, aus der Duschkabine auf die kühlen Fliesen trat und sich in ein dickes weißes Handtuch hüllte. Halt – was, wenn er jetzt etwas von dem Zeug verschluckt hatte? Hastig putzte er sich die Zähne, bis das Zahnfleisch blutete, und gurgelte mit einer Mundspülung. Dann betrachtete er das Blut auf der Zahnbürste und warf sie fort.
Als er in den Schlafraum trat, bemerkte er den bodenlangen Spiegel. Er
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