DEAD SHOT
kleidete, obwohl er sehr wohlhabend war. Osama bin Laden kam aus Saudi-Arabien und war berühmt für seine Vorträge, mit denen er eine dunkle Vision des Islam entwarf und die Überzeugung vertrat, dass es zulässig sei, Ungläubige zu töten: Nach den Gesetzen des Korans sei es sogar die Pflicht der Muslime. Bin Laden gab dem Jungen die Hand und ermunterte ihn, frei zu sprechen. Jeremys neue Träume von Rache und Hass traten zutage. Er versprach, ein wahrer Muslim zu sein, und gelobte, noch am selben Tag für den Islam zu sterben, wenn man es von ihm verlangte.
Der große Saudi berührte den Jungen am Arm. »Nein, du brauchst nicht für uns in den Tod zu gehen.« Er sah Dr. Osmand an. »Wusstest du, dass dein Vater schon lange zu uns gehört?«
Jeremy blinzelte verblüfft, als sein Vater sich bei dem Kompliment verbeugte.
»Auf unser Bitten hin hat dein Vater so viel Schmach unter den Ungläubigen erdulden müssen, und dafür wird der Prophet ihn belohnen.«
»Vater? Ich verstehe nicht ganz. Wovon spricht er?«
»Es geht um unseren Namen, Jeremy«, antwortete sein Vater. »Du denkst, ich habe unseren Namen nur abgeändert, um mich der englischen Gesellschaft anzupassen. Aber so war es nicht.«
Al-Zawahiri schaltete sich ein. »Vor vielen Jahren rief ich in Ägypten die Muslimische Bruderschaft ins Leben und führte sie in den islamischen Dschihad und schließlich zu El Kaida. In den Anfängen unserer Arbeit ging es uns vor allem darum, unsere Glaubenstreuen in fremden Ländern einzusetzen, und zwar als Maulwürfe, wie es in Geheimdienstkreisen heißt. Unsere Vertrauten sollten sich bereithalten. Dein Vater meldete sich freiwillig und wurde gebeten, das muslimische Bindeglied seines Namens so abzuändern, damit du, Jeremy Osmand, einen echten britischen Namen erhältst, wie ein Engländer sprichst und dich auch wie ein Brite benimmst. Dein Vater hat sich als loyaler Kämpfer erwiesen.« Die dunklen Augen bohrten sich in Jeremy. »Jetzt bist du gefragt.«
»Aber du sollst nicht zu einem Märtyrer werden, junger Mann«, erklärte Osama bin Laden. »Gepriesen sei Allah, dass wir über genügend Rekruten verfügen, die bereit sind, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen. Aber du erhältst einen Sonderauftrag, der erst in einigen Jahren erfüllt sein wird.«
Jeremy starrte die beiden Führer der militantesten islamischen Gruppierungen an. Sie wollten ihn haben!
Al-Zawahiris Tonfall änderte sich. Die freundliche Plauderei war vorbei. Was nun folgte, war eine Flut von Befehlen. Jeremy sollte so britisch wie irgend möglich werden, der britischen Armee beitreten und sich dort für den Kampf ausbilden lassen.
»Nach außen hin musst du den Islam abschütteln. Dein gegenwärtiges Wissen über den Koran muss ausreichen, denn du wirst viele Jahre nicht mehr im Heiligen Buch lesen und keine Ausgabe zur Hand haben. Du wirst das Fleisch des unreinen Tiers essen, Alkohol trinken, ohne Bart herumlaufen, dich den weltlichen Genüssen hingeben und mit den Frauen der Ungläubigen Unzucht treiben. Vielleicht musst du sogar gegen Muslime kämpfen, und das wirst du mit entschiedener Härte tun, denn deine Loyalität darf nicht infrage gestellt sein. Wenn es so weit ist, melden wir uns.«
»Ich soll mich vom Islam abwenden? Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
»Mit dieser Antwort haben wir gerechnet, Jeremy. Damit du dich mit diesem verwirrenden Gedanken nicht zu quälen brauchst, gewährt ein Rat von heiligen Männern dir eine spezielle Absolution für die vielen Sünden, die du in Zukunft begehen wirst.« Bin Laden beugte sich vertraulich vor. »Folge uns, junger Mann. Es macht uns das Herz schwer, wenn wir jemanden brauchen, der auf Erden den Weg des Propheten verlassen muss, um im Paradies neben ihm sitzen zu können. Leider wirst du so leben müssen wie unsere Feinde. Die Kämpfer des Propheten besiegen bereits die atheistischen Russen in Afghanistan, aber wir müssen in die Zukunft schauen. Große Kriege werden auf die Juden und die Kreuzfahrer zukommen, ehe wir den endgültigen Sieg erringen. Willst du uns helfen, den Islam zu schützen?«
»Ja, natürlich will ich das«, antwortete Jeremy, und sein Vater legte seinem sechzehnjährigen Sohn die Hand auf die Schulter.
»Dann werden wir dir einen neuen Namen geben. Für alle anderen wirst du weiterhin Jeremy sein. Aber wenn wir dich rufen, dann wirst du Juba sein, benannt nach einem Dorf, das vor vielen Jahren am weißen Nil in Afrika von entschlossenen Kämpfern
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