DEAD SHOT
Nachrichten, CNN und Fox und amerikanische Sitcoms in französischer Synchronisierung an. Nichts. Kyle schob den Servierwagen beiseite, wusch sich die Hände und breitete dann ein weißes Handtuch auf der gesteppten Bettdecke aus. Er legte seine persönlichen Waffen dazu, die er hatte behalten dürfen, da er mit einem Militärjet gekommen und nicht vom Zoll kontrolliert worden war.
Glock, Ruger, Gerber. Die Waffenmeister der Marines hatten die Pistolen gecheckt, bevor er in den Nahen Osten aufgebrochen war. Aber nach den Einsätzen im Iran mussten die Waffen gesäubert werden. Kyle öffnete einen kleinen Kasten zur Waffenreinigung und verteilte die Zahnbürste, die Bürste für den Lauf, Wattestäbchen und das Ölfläschchen auf einem weichen Tuch.
Mit einem kleinen Hebel vor dem Abzug ließ sich der Schlittenfang der Glock abnehmen, sodass die Pistole in zwei Teile zerfiel: den Lauf und den Griff samt Magazin. Kyle entfernte eine Spiralfeder und vergewisserte sich, dass nichts ausgefranst oder abgebrochen war. Ein Blick in den Lauf sagte ihm, dass nichts verbogen war. Schließlich wischte er nur über den Griff, da er die Untersuchung der Abzugsmechanik lieber einem Waffenmeister überließ. Swanson verbrachte fünf Minuten mit dem Reinigen, baute die Glock wieder zusammen, testete dann die Mechanik, indem er die Waffe auf den Spiegel an der Tür richtete und abdrückte. Die Abzugsmechanik klickte.
Kyle hatte vier Magazine mit je fünfzehn Schuss. Jetzt drückte er jede einzelne Patrone heraus, um sie nach möglichen Defekten abzusuchen. Die glänzenden Messinghülsen lagen schön aufgereiht nebeneinander auf dem weißen Handtuch, jede ein Produkt solider Ingenieurskunst. Die Patronen waren oben abgerundet, um Querschläger in Räumen zu verhindern. Die Kugel hinterließ ein Einschussloch von der Größe eines Centstücks, aber wenn sie auf Knochen traf, zersplitterte die weiche Spitze wie eine kleine Granate und zerfetzte alles in ihrer unmittelbaren Umgebung. Die Kugel sollte den Körper nicht verlassen. Swanson amüsierte sich oft, wenn er in Filmen sah, dass der Held mit seinem Messer ein X auf die Spitze der Patrone ritzte, damit sie aufging. Reine Fantasie. Die Patronen waren bereits so geformt, dass sie aufsprangen. Wenn man damit anfing, an den Patronen herumzupfuschen, beeinträchtigte man nur den Lauf und die Zielgenauigkeit der Waffe. Und dann hatte man ein Problem. Fachmännisch bestückte er die Magazine wieder.
Der kleine Ruger-Revolver mit fünf Schuss war leichter zu handhaben, aber beim Säubern der Waffe musste man genauso gut achtgeben. Man öffne die Trommel, schaue sie sich an, säubere sie, lade sie und schon war man fertig. Beim Gerber-Messer brauchte man nur die Klinge zu putzen, die an der vom Waffenmeister geschärften Schneide aufblitzte. Alle Waffen waren gecheckt: Es konnte losgehen.
Kyle zog sich dunkle Kleidung an: schwarze Jeans, schwarze Schuhe und Socken, ein langärmeliges T-Shirt und die schwarze Windjacke. Er setzte sich die wollene Sturmmaske auf, sodass nur noch die Augen zu sehen waren. Das Gerber-Messer steckte er in die Tasche; die Ruger trug er über dem Fußknöchel, und die Glock verschwand im Schulterhalfter. Dann machte er das Licht aus und legte sich aufs Bett, damit seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
Eine halbe Stunde lag er mit geschlossenen Augen da, atmete langsam und versuchte, nicht einzuschlafen, da es in dieser Nacht noch Arbeit gab. Am Rande seines Bewusstseins tauchten Erinnerungen an Shari Towne auf. Da sie Lieutenant Commander der Navy gewesen war, hatte man ihr ein Heldenbegräbnis in Arlington bereitet; ihr Sarg wurde mit einer von Pferden gezogenen Kutsche zum Grab gebracht. Der Sarg war leer, da Shari in einen Kugelhagel geraten und von zwei Explosionen zerrissen worden war. Bei der Bestattung war kein Familienmitglied anwesend. Sharis Vater war bereits Jahre zuvor gestorben, und ihre schöne Mutter starb bei demselben Attentat, dem auch Shari zum Opfer fiel. Mit Shari war die Familienlinie erloschen.
Kyle war bei der Zeremonie nicht dabei gewesen. Man hatte ihn in eine geheime Militärklinik gebracht, da er sich von seinen eigenen Schussverletzungen erholen musste. Jetzt fand er den Gedanken absurd, dass Shari und er beide offiziell in Arlington bestattet worden waren, obwohl keiner von beiden wirklich in dem geweihten Boden lag. Er fühlte, dass sie immer noch zusammen waren, und gelegentlich besuchte sie ihn in seinen Träumen, die
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