DEAD SHOT
Spiel schlenderte Juba hinunter nach Chinatown, um sich ein scharfes Gericht mit Hühnchen und Knoblauch zu gönnen, ehe er zu seinem Hotel zurückkehrte und sich die Nachrichten auf dem zweiunddreißig Zoll großen HDTV-Gerät anschaute. Es ging immer noch um den Anschlag in London und den Tod von Saladin in Paris. Schon bald gäbe es ein frisches Thema. Denn Juba plante eine bessere Todeszone im AT&T Park.
Schließlich nahm er sein Laptop und überwies einem Privatdetektiv in Connecticut, der gelegentlich Jobs für ihn übernahm, einen Vorschuss. Der Detektiv glaubte, der Kunde sei eine größere Computerfirma, die auf absolute Diskretion baute. Sowie der Geldtransfer bestätigt wurde, schickte Juba dem Detektiv eine E-Mail und beauftragte ihn, den ehemaligen US Marine Kyle Swanson zu finden.
An jenem Abend saß Xavier Sandoval im Beichtstuhl einer kleinen Kirche in den Hügeln bei Nogales, Mexiko. Das Mysterium der Religion war für ihn nichts Neues: ein geheimnisvolles Rätsel, das ihn seit nunmehr drei Jahren nicht losließ. Er war kein Muslim und baute in Wirklichkeit auf keine Religionsgemeinschaft, aber die uralten Riten der römisch-katholischen Kirche übten seit jeher eine Faszination auf ihn aus. Es fiel ihm schwer, sich von den Einflüssen zu distanzieren, die ihn schon das ganze Leben geprägt hatten.
Als junger Mann war er auf der Suche nach Arbeit in die Vereinigten Staaten gegangen, doch er wurde in einer Bar in eine Schlägerei verwickelt, festgenommen und zurück nach Mexiko deportiert. Dort sperrte man ihn in eine Zelle mit anderen gescheiterten Immigranten. Es war die Zeit kurz nach den Anschlägen vom 11. September, und die Regierung in Mexico City war darum bemüht, sich kooperativ zu geben. Viele der Gefangenen, darunter auch Xavier Sandoval, wurden zu Terrorverdächtigen erklärt. Es folgten harte Verhöre an Orten, die jeder Beschreibung spotteten. Als man ihn endlich wieder freiließ, war er wirklich zum Terroristen geworden. Erneut überquerte er die Grenze, gelangte diesmal bis nach Michigan und kam in einem muslimisch geprägten Viertel bei Freunden von Freunden unter, die er im Gefängnis kennengelernt hatte. Sie alle verband ein unerbittlicher Hass auf die Vereinigten Staaten.
Eines Tages tauchte ein Engländer auf und pickte sich Xavier aus der Gruppe heraus. Später arbeitete Sandoval für diesen Mann, den alle respektvoll Juba nannten. Er war freundlich und großzügig und ein begabter Killer.
Dennoch, Xavier hatte noch so etwas wie ein Gewissen, und so kam es, dass er nach dem Anruf von Juba aus San Francisco ein Bad nahm, sich das Haar kämmte, in seinen besten dunklen Anzug schlüpfte und zur Messe ging. Der Zauber der römisch-katholischen Liturgie und das Wissen um die Schuld des Menschen durchdrangen Xavier und riefen in ihm den Wunsch hervor, nach der Messe zur Beichte zu gehen. Der Priester wunderte sich zwar über die vagen Geständnisse von kleineren Sünden, da er spürte, dass das Gemeindemitglied größere Seelenqualen litt. Doch Xavier wusste, wann er mit dem Reden aufhören musste. Er rechnete nicht mit Absolution für seine Verbrechen; er hatte bloß ein letztes Mal die beruhigende Stimme eines Priesters hören wollen. Dann ging er innerlich gefasst hinaus in die Wärme der Sommernacht.
Am nächsten Morgen sprach er ein letztes Gebet und bat Gott um Mut und Vergebung. Es war eine große Bitte, da er im Begriff war, mehrere Tausend Menschen umzubringen. Der kleine Mann zog sich khakifarbene Hosen und ein gelbes Hemd an und machte sich auf den Weg zur Arbeit als Lkw-Fahrer für die Diablo Gourmet Gewürzfabrik.
Diablo Gourmet war eine Maquiladora Erfolgsgeschichte, eine Firma, die von Amerikanern gegründet und von Mexikanern betrieben wurde. Lieferanten aus ganz Südamerika und Mittelamerika schickten ihre gesäuberten Gewürze und Kräuter nach Nogales, wo die Firma die Gewürze mischte, verpackte und an die besten Restaurants im amerikanischen Südwesten verschickte.
Die Diablo Connection war vor über zwanzig Jahren als Deckfirma gegründet worden und bildete seitdem einen wichtigen Stützpunkt von Saddam Husseins Unit 999 in Nordamerika. Die einzigen Spuren der Eigentümerschaft waren der Name eines Anwalts und das Postfach einer Briefkastenfirma auf den Cayman Islands. Die jahrelangen legalen Geschäfte hatten die Firma Diablo Gourmet zu einem willkommenen Arbeitgeber in der sonst eher strukturschwachen Nogales Region gemacht. Von dort aus durfte die
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