Dead Souls: Horror (German Edition)
Unterstützung bitten konnte.
Nachdem Johnny den Weg zwischen Küche und seinem Zimmer abgelaufen hatte, setzte er sich an den Küchentisch starrte auf den Kalender des Heiligen Lukas an der Tür und wartete unruhig auf die Rückkehr seiner Mutter.
Jede Minute jetzt. Sein Herz pochte vor ängstlicher Erwartung.
Jesus, das wird eine verfluchte Konfrontation geben!
Er blieb ruhig, lauschte dem Ticken der Küchenuhr, das sich wie ein Nagel tief in seinen Schädel bohrte. Ständig musste er an den Mann ohne Gesicht namens Benjamin Conroy denken und fragte sich eindringlich, wer er gewesen war, wie er ausgesehen haben könnte, wie er gestorben war, warum er Johnny sein Vermögen hinterlassen hatte. Dann fiel es ihm ein: Judson hat gewartet, bis ich 18 bin, um mich zu kontaktieren. Ist es möglich, dass Benjamin Conroy schon vor einiger Zeit gestorben ist und in seinem Testament Anweisungen gegeben hat, zu warten, bis ich 18 bin?
Oder ist er erst letzte Woche gestorben?
Er fasste wieder an die größer werdende Anspannung in seiner Brust, seine Gedanken schweiften in endlose Ströme ab, nur um wieder zu den zusammengetrommelten Bildern seines neuentdeckten Phantoms Benjamin Conroy zu werden. Dann sickerte zwischen diesen gewundenen Reflektionen ein weiteres Phantom in greller Einzelheit in seinen Verstand: eine fast verblasste Kindheitserinnerung, die er »den goldenen Schmerz« nannte. Er hatte diese seltsame Erinnerung irgendwie behalten, als handelte es sich um eine lebhafte Vision aus einem Albtraum, aus einem, an den er sich sein ganzes Leben lang zurückerinnern konnte. Und es kann sehr wohl ein Albtraum gewesen sein, aber seine anhaltenden Bilder waren so deutlich und so real, wie irgendwo aus seinem Unterbewusstsein (und Bewusstsein). Ein Teil von ihm glaubte, dass alles tatsächlich passiert war.
Er konnte sich daran erinnern, dass er auf dem Rücken lag, so hilflos, als wäre er betäubt. Er hatte das Läuten einer Glocke gehört, und dann war da ein goldenes Licht, das über ihm schwebte, und aus diesem Licht heraus tauchte die verschwommene Gestalt einer Person auf, den Kopf in den Nacken gelegt, Arme ausgestreckt. Die Gestalt war links und rechts von einer kleinen Gruppe von Leuten ohne Gesichter umgeben, die er Jahre später als »Zeugen« beschreiben würde. Als die zentrale Erscheinung aus dem Licht auftauchte und näher kam, drängten sich die Zeugen um Johnnys Körper und schnappen sich seine Arme und Beine. Problemlos konnte er sich an die Schmerzen erinnern, als er versuchte, sich von diesen dunklen Leuten loszureißen; seine Muskel streckten sich, die Haut an Bizeps und Oberschenkeln brannte unter ihren festen Griffen.
Und genau da hörte seine Erinnerung auf; der sprichwörtliche Blackout hatte eingesetzt, als wäre er – kurz bevor er starb –, aus einem Albtraum aufgewacht, nur um sich dann schweißgebadet auf durchweichten Bettlaken wiederzufinden. Doch die Bilder waren bei ihm geblieben, in seiner Erinnerung, und dann wieder in seinen Träumen, wo ihn mindestens einmal im Monat der dunkle Mann ohne Gesicht und seine Zeugen im Schlaf besuchen würden.
Einmal hatte er nach einem extrem lebhaften Wiederauftreten des Ereignisses in seinen Träumen den Mut zusammengenommen, mit Mary über alles zu sprechen, aber sie hatte wie erwartet reagiert: Mit völliger Gleichgültigkeit, ungläubig grinsend und es als etwas abtuend, das sie damals als »unterdrücktes Engramm in seinem Unterbewusstsein« beschrieb. Genau darum wollen wir nicht, dass du diese Schund-Science-Fiction-Romane liest … Als Nächstes möchtest du uns einreden, dass du von Außerirdischen entführt worden bist!
Genau jetzt … spukte der Name Benjamin Conroy in seinem Kopf herum, als wurde er mit Sekundenkleber an sein Hirn geklebt und wie die Suggestion eines Hypnotiseurs funktionierend zog er unterdrückte Erinnerungen heraus, wie das Passwort eines Computers, das eine Fülle von versteckten Informationen zum Vorschein brachte. Als er sich die Erinnerungen an den goldenen Schmerz ins Gedächtnis rief, überfluteten neue seinen Verstand – Erinnerungen an den goldenen Schmerz und an die Ereignisse, die sich abspielten, nachdem die Zeugen seine Arme gepackt hatten, nach dem Blackout. Es schien eine fehlerfreie Kombination zu sein: die Erinnerung an den golden Schmerz, sowie die Präsenz des Namens Benjamin Conroy , zum ersten Mal zusammen in seinem Kopf. Sie arbeiteten Hand in Hand, um verlorene Erinnerungen zu
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