Dead Souls: Horror (German Edition)
hatte ihn verschluckt und in die Tiefe gezogen, wo es eiskalt war. Als er es endlich wieder an die Oberfläche geschafft hatte und dann ans trockene Ufer, hatte er Seewasser erbrochen und hemmungslos gezittert, sich an die schmerzerfüllte Brust gegriffen, als wäre ihm ins Herz gestochen worden. So fühlte er sich jetzt: Verängstigt, keine Kontrolle über die Situation, ein Gefühl, als hätte man ihn mit einem eiskalten Messer aufgeschlitzt.
Leise Schritte näherten sich. Er schloss die Augen, er erlaubte seiner Familie nicht zu sehen, dass er sich nicht an das Ritual gehalten hatte. Er legte die Hände auf die Knie und zuckte mit den Lippen, da er ein Gebet vortäuschen wollte. Wie eine Decke mit heißer Luft fühlte er, wie die Hitze seiner Familie – Vater, Mutter und Elizabeth – ihn umzingelte.
Sein Herz schlug schneller in der Brust. Jetzt klopfte es in seinem Hals, erschwerte ihm das Atmen. Er hörte die Glocken läuten, und dann die Stimme seines Vaters, als er mit dem Siegel von Osiris anfing. Während sich das Ritual beim nächsten Glockenschlag fortsetzte, klammerte sich Daniel an jede letzte Komplexität, wie es ihm beigebracht worden war, er stellte sich vor, dass er die ganze Vorführung allein durchzog.
Kapitel 8
06. September 2005
17:11 Uhr
Johnny Petries bittersüße Freude bei dem Gespräch mit Andrew Judson und das Fassen des ernüchternden Entschlusses, dass dieses Erbe tatsächlich echt war, lösten sich in Luft auf, als er über seinen nächsten Schritt nachdachte. Sein Verstand spielte verrückt, Gedanken liefen Amok und trafen keine logischen Urteile, abgesehen davon, seine Freude durch Sorgen und unklare Angst zu ersetzen.
Nachdem er aufgelegt hatte, lief er ins Badezimmer und betrachtete sich erneut im Spiegel. Sein Gesicht hatte einen unbekannten Ausdruck, den er zuvor noch nie beobachtet hatte, obwohl es immer noch blass und verpickelt und gezeichnet war; ein Ausdruck, der konzentriert und aufgeweckt und völlig vorbereitet auf die weltbewegenden Ereignisse war, die vor ihm lagen.
Die Unterhaltung zwischen Judson und Johnny drehte sich weiter darum, die erste Handlung, die er tätigen müsste, genau zu beschreiben. Judson hatte erklärt, dass Johnnys Stillschweigen von äußerster Wichtigkeit wäre, und inständig darum gebeten, dass Johnny den Brief oder ihre Unterhaltung niemandem gegenüber erwähnte, einschließlich seiner Eltern. Als Johnny nach dem Grund gefragt hatte, teilte ihm Judson mit, dass sich alles bei seiner Ankunft in Wellfield klären würde. Johnny hatte argumentiert, dass er nicht einfach so verschwinden könnte, da seine Eltern dafür sorgen würden, dass man sein Bild in den Fünf-Uhr-Nachrichten ausstrahlte, wenn er nicht zum Abendessen auftauchte. Allerdings versprach er, dass er in wenigen Tagen nach Maine reisen würde, um sich mit dem Anwalt zu treffen, sobald er einige Sachen zusammengesucht hatte, und vielleicht ein bisschen Geld.
Mein Gott, mache ich das wirklich?
Johnny ging in die Küche zurück, faltete den Brief zusammen und wieder auseinander und las ihn still immer und immer wieder, manchmal mit Judsons Stimme, dann mit seiner eigenen. Trotz Judsons Zusicherung schien das ganze Szenario immer noch zu schön, um wahr zu sein, und Johnny grübelte mit seinem gesunden Menschenverstand nach irgendeiner skeptischen Erkenntnis. Er sagte sich auch, dass die Zweifel, wenn er die Umstände nicht untersuchte, eine kilometerlange Liste ausfüllen würden; sie würden nie die Wahrheit darüber ans Tageslicht bringen, wer Benjamin Conroy war, und warum dieser sogenannte Verwandte, von dem er noch nie gehört hatte, ihm ein Vermögen hinterlassen hatte.
Vielleicht kenne ich doch jemanden namens Benjamin Conroy. Irgendwie kommt es mir jetzt so vor. Denk nach, denk nach …
Also streifte er die nächste halbe Stunde wie ein eingesperrter Tiger durch das Appartement, er schwitzte seine Unsicherheit weg und sammelte lebenswichtigen Mut, um seine Eltern zu konfrontieren und die Wahrheit herauszufinden. Seine Haut war mit Gänsehaut übersät, wässrige Augen quollen aus geröteten Augenhöhlen hervor. Er konnte fühlen, wie sein Herz gegen seine Rippen hämmerte. Er fasste sich an die Brust, spürte das beklemmende Bedürfnis, alles ans Tageslicht zu bringen, ohne Verspätung, ohne Ausflüchte. Er würde seine Mutter überrumpeln müssen, sobald sie durch die Tür lief, und bevor sein Vater nach Hause kam, damit sie ihn nicht um seine rückgratlose
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