Dead Souls: Horror (German Edition)
augenblicklich hörte er ein trockenes Rascheln, das von hinter den Wänden kam, und bald danach von der Decke.
»Die Mäuse sind nicht allzu glücklich über unseren Besuch«, merkte er an und schaute zu dem Anwalt.
»Trautes Heim, Glück allein«, meinte Judson, dabei sah er etwas besorgt aus.
»Kann ich Ihnen etwas zu essen oder zu trinken anbieten?«
»Sie sind zu freundlich.«
Sie verließen das Wohnzimmer und liefen den Flur entlang, traten über eine kleine Pfütze, die nach Abwasser stank. Die Tapete, die eine Reihe von Rosen und herunterhängender Sonnenblumen zur Schau stellte, löste sich in schlaffen Stücken vom Putz. Judson leuchtete mit der Taschenlampe auf eine Treppe. Hier roch es unangenehm nach verschimmeltem Putz und Mäusekot. Glassplitter lagen auf den wenigen Stufen verstreut, die sie sehen konnten, der Rest führte in die stickige Dunkelheit des zweiten Stocks hinauf. In der Ecke auf der zweiten Stufe lag eine Zeitung, feucht und auf doppelte Größe aufgequollen, eine fette gepunktete Schnecke kroch am unteren Rand entlang.
»Oben sind vier Schlafzimmer und ein zweites Bad. Wollen Sie nach oben gehen?«
Johnny wurde ganz kalt. »Müssen wir?«
»Ich habe gehofft, dass Sie Nein sagen würden.«
»Dann nein.«
Judson atmete aus. »Die Stufen sind sicher, aber abgesehen von Käfern und Mäusen gibt es dort oben nichts zu sehen.«
Sie liefen nach rechts durch eine Doppeltür, die in einen gruftähnlichen Raum führte, leer, bis auf eine Matratzenfeder, die an der rechten Wand lehnte, ihre verrosteten Spulen stachen durch den ausgefransten, grauen Bezug. Mitten im Zimmer hing lose ein antiker Leuchtkörper aus Messing von der Decke, eingehüllt in einen Schleier aus Spinnennetzen und Staub. Ein verbarrikadierter Kamin füllte auf der anderen Seite des Raumes die Hälfte der Wand aus, rechts davon eine Doppeltür, die in eine Wohnstube führte, wie Johnny annahm.
»Andrew?«
»Hmm?« Judson leuchtete mit der Taschenlampe auf die braunen Wasserflecke an der Decke. Er kniff die Augenbrauen zusammen, als würde er etwas Interessantes sehen.
»Wie ist meine Familie, ich meine die Conroy-Familie gestorben?« Johnny lief durch das Zimmer an einem einzelnen verdreckten Fenster vorbei und staunte über den heruntergekommenen Anblick der rissigen Wände, der fleckigen Holzböden.
Judson räusperte sich, dann schaute er Johnny an, seine Lippen dünn zusammengepresst. »Ihr Vater, er …«
»Bryan Conroy …«
Die Stimme. Sie war zurückgekehrt. Nur dieses Mal war sie lauter, schriller und deutlich nervös. Johnny warf Judson einen flüchtigen Blick zu. Das faltige Gesicht des Anwalts verwandelte sich zu einer bleichen ängstlichen Miene.
»Hören Sie das?«, fragte Johnny.
Judson nickte, wodurch Johnny mit verstörender Sicherheit realisierte, dass die Stimme nicht aus dem Innern seines Kopfes gekommen war.
Johnny riss den Kopf herum. »Woher ist sie gekommen?« Seine Stimme wurde vor lauter Panik höher, als er zweifellos feststellte, dass dieses Haus – und die Geschichte von Benjamin Conroy – tatsächlich böse war, dass dessen bloße Anwesenheit so echt war wie sein überschwemmender Gestank. Wie ein Virus breitete sich in seinem ganzen Körper Angst aus, mit noch nie da gewesenen Stufen anbändelnd. Der Raum fing an, sich zu drehen. Seine Narbe juckte heftig, schmerzte . Er lehnte sich gegen die Wand, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Judsons Augen folgten dem wackelnden Strahl seiner Taschenlampe, und er rief: »Wer ist da?«
Eine schnelle unerwartete Bewegung, das Geräusch von auf dem körnigen Boden schlurfenden Füßen. Judson drehte sich um, leuchtete mit der Taschenlampe auf die Doppeltür neben dem Kamin.
Die Tür flog auf, das laute Quietschen der Scharniere hallte durch das Haus. Judson wich sofort zurück, in seinem Gesicht war der Schrecken zu erkennen, die Sehnen in seinem Nacken ragten wie Kabel heraus. Sein Körper schien zu erstarren, wahrscheinlich vor Schock, was seine Fähigkeit zerstörte, der verschleierten Gestalt auszuweichen, die aus der Wohnstube stürmte.
»Passen Sie auf!«, schrie Johnny, aber seine Stimme wurde leiser und seltsam von der stark angespannten Umgebung aufgesaugt. Er lief rückwärts die Wand entlang, ganz und gar nicht von dem überzeugt, was er sah; die Wahrheit war nicht sofort ersichtlich, als wären seine ganzen Nerven und Gedanken plötzlich eingefroren. Dann realisierte er, dass es der Schock des Unerwarteten war, der
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