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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A John
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über bekritzelt war. Es gab Zeichnungen, komische und solche, die Großvater vermutlich als obszön bezeichnet hätte, und viele, viele schriftliche Hinterlassenschaften. Verrückt, dachte Sally, Botschaften aus einer längst vergangenen Zeit, und wir sind vielleicht die Ersten, die sie zu sehen bekommen.
    »Lies vor!«, verlangte Monnia.
    »Das hätte nicht viel Sinn«, sagte Sally. »Ich kenne zwar die Buchstaben, aber nicht die Sprache. Ich kann nur Englisch lesen, das war die Sprache unserer Ahnen. Das hier ist eine andere. Oder doch, wartet mal, da steht tatsächlich etwas in unserer Sprache.«
    Eifrig beugte sie sich vor. »Das hier heißt Engel. Das hier Mädchen. Und hier steht, oh … fuck you«, las sie verlegen.
    Das verstanden Monnia und Carlita sogar ohne Übersetzung. Die beiden bogen sich vor Lachen. »Ach, die unendliche Weisheit der Alten!«, japste Monnia. »Lies weiter, Sally! Sally, ist was? Geht’s dir nicht gut?«
    Sally stand steif und leichenblass da und starrte die Wand an.
    »Was ist los? Was steht da, nun sag doch was!«
    »Nichts«, sagte Sally rau. Aber es stand doch etwas da, »Deadline 24« stand da, und diesmal veränderten sich die Buchstaben nicht, egal ob sie hinstarrte, wegschaute, blinzelte oder sonst was tat, das magische Wort blieb deutlich lesbar unter einer Ansammlung von blöden Sprüchen und obszönen Zeichnungen aus einer lange versunkenen Zeit.
    Sie zog sich so weit von der bekritzelten Wand zurück wie irgend möglich, legte sich auf den Boden, knuddelte den Rucksack als Kopfkissen zurecht und drehte ihre Lampe aus.
    »Ich muss schlafen«, murmelte sie. »Ich sehe Gespenster.«
    »Da du gerade davon anfängst«, sagte Monnia, »was war das für ein eigenartiger Wirbelwind, der uns hergeführt hat? Du bist ihm gefolgt, Sally. Behaupte bloß nicht, du hättest gewusst, dass hier ein unterirdischer Schutzraum ist!«
    »Das war der Windmann«, sagte Carlita.
    »Was?«
    »Stimmt doch, Sally, oder? Du kennst ihn auch?«
    »Ja, ja!«, rief Sally völlig entnervt. »Es war der Windmann! Aber fragt mich jetzt nicht, wer er ist und was er will. Heute hat er uns gerettet, normalerweise meldet er sich bei meiner Mutter und schickt ihr Visionen. Aber ich will jetzt nicht darüber reden, ich will schlafen, hört ihr? Schlafen!«
    »Ist ja schon gut«, brummelte Monnia eingeschüchtert.
    Vor wenigen Stunden noch hätte Sally ihre Seele verkauft, um weitere Informationen über den Windmann zu erhalten, jetzt wollte sie nichts mehr von ihm wissen. Wenigstens für eine kurze Zeit nicht. Es war zu viel. Zu viel Aufregung, zu viel Gefahr, zu viel Verantwortung auf ihren Schultern. Sie sehnte sich nach Schlaf. Abgleiten ins Nichts. Aufwachen zu Hause, in ihrem Bett. Feststellen, dass alles nur ein Traum gewesen war. Natürlich wusste sie, dass dies nicht geschehen würde, aber ein paar Stunden des Vergessens wären ja wohl nicht zu viel verlangt.
    Doch der Schlaf ließ auf sich warten. Carlita und Monnia lagen an der gegenüberliegenden Wand und tuschelten miteinander. Sie gaben sich Mühe, leise zu sein, aber das war völlig umsonst in diesem winzigen Raum, Sally verstand jedes Wort. Sie ärgerte sich über die beiden, weil die nicht aufhören wollten zu wispern, und sie war wütend auf sich selbst, weil sie es nicht schaffte, sich in dem anderen Kabuff einen Schlafplatz zu suchen oder wenigstens wegzuhören.
    »Ich kenn ihn schon immer, den Windmann«, erzählte Carlita flüsternd. »Schon seit dem Tag meiner Geburt.«
    »Das kann nicht sein«, entgegnete Monnia. »Niemand erinnert sich an den Tag seiner Geburt.«
    »Ich aber doch, der Windmann hat mir davon erzählt.«
    »Sieht er immer so aus wie eben? Wie ein Wirbelwind?«
    »So fängt es an. Wenn er länger Zeit hat, wird er zu einer Gestalt, einem ganz großen Mann. Er sucht etwas oder jemanden, schon sehr, sehr lange. Er ist ganz allein.«
    »Er kennt doch dich und Sally. Und wie es scheint, auch Angelina.«
    »Schon …«
    »Aber?«
    »Aber solche wie ihn gibt es nicht. Er sucht einen, der ist wie er. Menschen, die ihn sehen oder hören, findet er ab und zu, doch ich glaube, das reicht ihm nicht mehr. Das macht mir Angst.«
    »Warum?«
    »Weil er stärker wird. Manchmal habe ich das Gefühl, er ist ganz nah, und er schickt mir seine Gedanken, auch wenn überhaupt kein Wind weht. Und wenn er auftaucht, will er, dass ich ihn anschaue. ›Schau her!‹, ruft er.«
    »Und du schaust auch brav, sonst wüsstest du nicht, wie er

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