Deadline 24
winzige Nadeln an ihrer Haut pickten, um sich Einlass zu verschaffen.
Caleb erzählte weiter. »Dann haben wir das Tunnelsystem unter der Stadt entdeckt und die unterirdischen Schutzräume, die durch die Tunnels miteinander verbunden sind. Ein Glück, so haben wir nämlich einen Vorteil vor gewissen anderen Personen, die sich seit letzter Nacht hier rumtreiben. Und damit meine ich nicht dich, Sally, und deine Freundinnen. Die Lords sind hinter uns her, haben uns gejagt mit ihrem dämlichen Kettenfahrzeug! Haben sich in dem schönen hellen Schutzraum breitgemacht, und wir können jetzt sehen, wo wir bleiben. Org hat sie beschossen, fast hätte er ihre Tanks getroffen, aber Josie musste natürlich dazwischengehen! Ihr weiches Herz, hab ich mir gedacht! Von wegen, weiches Herz! Verräterherz! Eine Verräterin ist sie! Bei allen verdammten Idioten dieser Welt, wie blöd war ich doch!«
Josie fuhr herum. »Ich bin keine Verräterin!«, rief sie aufgebracht. »Niemals würde ich euch verraten, nicht dich, Caleb, nicht Sausalito, nicht Jarvis und Jessup. Ihr seid meine Crew!«
»Deine Crew!« Caleb spuckte aus. »Geschenkt!«
Der Helikopter bockte, die Passagiere mussten sich an die Röhren klammern, um nicht von den Sitzen zu purzeln. Josie legte Paul den Arm um die Schulter und sofort wurde der Flug ruhiger.
Caleb fuhr fort: »Natürlich haben wir an unserem ersten Tag gleich diese beiden riesigen Hallen unter dem Platz gefunden. Jeder entdeckt sie, man stößt ja wegen der Säulen praktisch mit der Nase drauf. Es sind die größten unterirdischen Zufluchtsstätten der Stadt. Von der unteren kann man die meisten Tunnels erreichen und die obere, na ja, das wisst ihr ja sicher selber. Dort hat Paul einen Fund gemacht, bei dem er ausgerastet ist.«
»So was wie das hier?«, fragte Sally und zog die magische Scheibe hervor.
»Genau«, nickte Caleb. »Er war völlig aus dem Häuschen, hat behauptet, er kenne das Wort, das darauf erscheint, aus den Visionen eurer Mutter!«
Sally nickte. »Und dann kam der Trugnebel«, vermutete sie.
»Wieder richtig«, stimmte Caleb erstaunt zu. »War ziemlich übel. Wir wollten nicht länger da unten bleiben, mussten deinem Bruder aber hoch und heilig versprechen, am nächsten Tag wiederzukommen. Er wollte unbedingt mit seinen Forschungen weitermachen. Doch am nächsten Tag …« Er seufzte. »Als es dunkel wurde, flogen wir in die Steppe hinaus. Es war eine warme Nacht, fast windstill, klarer Himmel, Millionen von Sternen. Wir haben dicht beim Helikopter unser Lager aufgeschlagen, gegessen, getrunken, die Schnapsflasche kreisen lassen, bis sie leer war, uns Geschichten erzählt, was man halt so macht am Lagerfeuer. Und dann haben wir uns schlafen gelegt, im Freien, die Nacht war viel zu schön, um sich im Helikopter zusammenzudrängen. Aber geschlafen haben wir nur kurz, das Knattern der Rotoren weckte uns. Org düste davon, Paul hatte sich auf den Pilotensitz geschlichen. Könnt ihr euch vorstellen, wie entsetzt wir waren? Völlig mit den Nerven fertig, nicht nur wegen Paul, auch wegen uns selbst. Er ließ uns im Stich, mitten im Ödland, weit und breit kein Schutz! Wir hatten ein paar äußerst unangenehme Stunden, das kann ich euch sagen. Aber dann, kurz vor Morgengrauen, kam er zurück. Da war es längst passiert.«
»Hättet ihr ihn denn nicht befreien können?«, fuhr Sally ihn an. »Ihn abschneiden, wie ihr es bei den Mermaiden tut?«
»Keine Chance«, erwiderte Caleb düster. »Viel zu spät. Er wäre gestorben. Org hätte vermutlich auch gelitten, sich aber wieder gefangen.«
»Gibt es denn keine Hoffnung?«, flüsterte Monnia.
Caleb zog hilflos die Schultern hoch. »Vielleicht hätte ich ihn doch abschneiden sollen«, murmelte er düster, wie zu sich selbst. »Sofort und ohne zu zögern. Aber ich hab’s nicht fertiggebracht. Ich hab’s einfach nicht fertiggebracht«, wiederholte er und sah Sally an. In seinen Augen glitzerten Tränen.
»Ich weiß«, sagte Sally.
»Wir wollten zurück zu eurer Farm fliegen. Es wäre schrecklich für uns gewesen, euch unter die Augen treten und gestehen zu müssen, was geschehen war, aber wir wollten es tun!«
»Ich wollte es auch!«, fiel Josie fast flehend ein.
»Stimmt«, bestätigte Caleb widerwillig. »Josie ist es gelungen, Paul zu überzeugen. Wenn er schon nicht nach Hause fliegen wolle, dann doch bitte, bitte zu einer anderen Farm. Sie behauptete, sie sei am Verhungern und brauche dringend Proviant. Damit war Paul dann
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