Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
jetzt …
Cissy gab sich innerlich einen Ruck. Na ja, die Blicke, die Jack und Sara gelegentlich getauscht hatten, waren mehr als nur freundschaftlich. Na und?
Sie wollte sich nicht – auf gar keinen Fall – zu einer dieser ewig misstrauischen Frauen entwickeln, die sie so verabscheute. Was war los mit ihr? Wenn sie Jack auch nicht trauen konnte, so aber doch Sara.
Du bist überreizt wegen gestern Abend, wegen Eugenias Tod. Das ist alles. Und weil Marla auf freiem Fuß ist. Bei dem Gedanken fröstelte ihr, und sie drückte ihren Sohn fester an sich, als sie sich daran erinnerte, wie sie am Vorabend geglaubt hatte, dass jemand ihr Haus beobachtet hätte. War es wirklich nur Einbildung gewesen?
»Hey«, rief Sara und hielt die tropfnasse Zeitung am ausgestreckten Arm weit von ihrer rostfarbenen Jacke weg, als sie die feuchte Rasenfläche zwischen den beiden Häusern überquerte. Sara hatte rotes Haar, einen Porzellanteint und große, waldgrüne Augen, hatte während der Highschool als Model gearbeitet und war jetzt eine hochkarätige Grundstücksmaklerin. Sie war zweimal geschieden und hatte sich geschworen, dass sie Single bleiben würde, zumindest bis zu ihrem Fünfunddreißigsten, der in zwei Jahren bevorstand. »Ich habe von der Geschichte mit deiner Großmutter gehört«, sagte sie und warf mit einer Kopfbewegung ihr Haar zurück, immer noch die tropfende Zeitung in der Hand. »Schrecklich. Es tut mir so leid.«
»Mir auch«, gestand Cissy. Eine Böe wirbelte ein paar trockene Blätter übers Gras, und sie drehte sich mit dem Rücken zum Wind. »Es war ein Schock.« Sara betrat die Veranda und sah Beejay an. »Hallo, du«, gurrte sie. Sara, die keine eigenen Kinder hatte, zwinkerte Beejay zu. Der Kleine gab sich schüchtern und barg das Gesicht am Hals seiner Mutter. »Siehst du? So wirke ich nun mal auf Männer.«
Cissy bezweifelte es. Nein, sie wusste es besser.
»Himmel, Beejay wird seinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher.«
Das entsprach der Wahrheit. Und es war in Cissys Augen keine Katastrophe. Jack sah eindeutig gut aus, was allerdings manchmal eher ein Fluch als ein Segen sein konnte. Sara blinzelte zum Himmel auf, als suchte sie die Sonne hinter den Wolken. »Ob es überhaupt noch mal warm wird?«
»Es ist Winter«, rief Cissy ihr ins Gedächtnis.
»Ich weiß. Ich würde wer weiß was geben für heißen Sand, warmes Wasser und eine kühle Margarita, die mir ein junger Kellner namens Ramon serviert.«
Cissy konnte tatsächlich lächeln. »Ich auch.«
»Weißt du, Cissy, du müsstest mal zur Ruhe kommen. Zuerst die Geschichte mit deiner Mom. Und dann deine Großmutter. Und dazu noch die Scheidung.« Sara schüttelte den Kopf, und freche, durchgestufte rote Locken hüpften um ihr Gesicht. Sie tippte Beejay mit ihrem sorgfältig manikürten Finger auf die Nasenspitze. »Ein Glück, dass sie dich hat, nicht wahr, Beejay? Du bist ihr Lichtblick.«
Er starrte sie an und klammerte sich an seine Mutter.
Sara warf einen Blick über die Schulter und sah Jacks Jeep um die letzte Straßenbiegung verschwinden. »Sooo«, sagte sie und wandte sich wieder Cissy zu. »Jack ist zurück?«
»O nein. Er ist nur letzte Nacht hiergeblieben. Er hat mich von meiner Großmutter aus nach Hause gefahren, weil mein Wagen zwischen lauter Dienstfahrzeugen eingekeilt war.«
»O Gott, du warst dort?« Sara verzog das Gesicht. »Stimmt ja. Sonntags besuchst du sie immer. Sag jetzt nicht, du hast sie gefunden.« Als Cissy die Zähne zusammenbiss und nickte, wurde Saras heller Teint noch blasser. »Wie entsetzlich. Geht es dir einigermaßen gut?« Sie verdrehte ihre ausdrucksstarken Augen. »Entschuldige die blöde Frage. Wie soll es dir gutgehen?«
»Es wird schon wieder«, antwortete Cissy und meinte es aufrichtig. Sie musste stark sein für Beejay.
Saras Gedanken überschlugen sich förmlich. »So. Moment mal.« Ihr Blick schweifte über die Zufahrt. »Was ist mit deinem Wagen? Ist er noch dort?«
»Ja.«
»Musst du ihn dort abholen oder so?« Sie blickte auf ihre Uhr. Der Wind spielte mit den Fransen ihres Halstuchs.
»Ich könnte dich hinfahren.«
»Wirklich? Musst du nicht zur Arbeit?«
»Ich arbeite heute zu Hause.«
Cissy musterte rasch das Outfit ihrer Freundin: Maxirock, aufgeknöpft bis zum Knie, teure Stiefel, Pullover mit großem Rollkragen und Wildlederjacke. Und das Halstuch.
»So ziehst du dich an, wenn du zu Hause arbeitest?«
Sara lachte. »Tja, heute Nachmittag habe ich doch ein paar Termine,
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