Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
und wenn ich geduscht habe, ziehe ich mich eben vollständig an, um für den Tag gerüstet zu sein. Aber ich bin noch eine ganze Weile hier. Das ist einer der Vorteile am Immobilienhandel und einem Büro zu Hause mit Internetanschluss. Also, wenn du heute Morgen noch deinen Acura abholen willst, stehe ich zur Verfügung.«
»Sobald Tanya kommt? So gegen neun?«
»Perfekt.« Sara bedachte sie mit dem Lächeln, das wahrscheinlich schon so manchen Handel besiegelt hatte. »Ruf mich an.« Langsam ging sie zurück zu ihrem Haus. Cissy blickte ihr nach und ließ dann den Blick über die Straße schweifen, zu der Stelle, wo sie im Dunkeln eine Gestalt gesehen zu haben glaubte. Von Neugier getrieben, trug sie Beejay auf die andere Straßenseite und ging zu der Stelle. Das Gras auf dem Nachbargrundstück war ein wenig zerdrückt, und am Kantstein lag eine Zigarettenkippe, doch das musste ja nichts bedeuten … oder doch? Sie blieb stehen und blickte an ihrem Haus hinauf. Von diesem Standpunkt aus konnte sie ins Erkerfenster ihres Schlafzimmers sehen. Und wenn sie nur ganz leicht den Kopf drehte, fiel ihr Blick direkt in Beejays Zimmer.
Erneut fegte ein Windstoß die Straße entlang, rauschte in den Ästen der Bäume und jagte einen eiskalten Schauer über Cissys Rücken. Dichter, eisiger Nieselregen setzte ein.
Da war nichts, Cissy. Du hast dir nur etwas eingebildet.
Doch sie presste ihren Sohn ein bisschen fester an sich, als sie zurück über die Straße lief. Als sie ins Haus kam, hörte sie das Telefon klingeln. Ein wenig außer Atem hob sie den Hörer ab, bevor sich der Anrufbeantworter einschalten konnte.
»Hallo?«
»Sag, dass es nicht wahr ist«, verlangte eine erstickte Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. »Sag, dass Eugenia lebt.« Ein lautes Schniefen folgte.
»Deborah?« Cissy hatte die Gesellschafterin ihrer Großmutter erkannt.
»Ich habe gerade einen Anruf von der Polizei erhalten, und dann habe ich in den Frühnachrichten gesehen, dass sie einen Unfall hatte. O Gott, ich hätte sie nicht allein lassen dürfen.«
»Es ist nicht Ihre Schuld«, versicherte Cissy.
»Was tue ich jetzt bloß?«, fragte Deborah, und Cissy verbrachte zwanzig Minuten damit, sie zu trösten. Deborah fragte unverblümt nach, was sich jetzt an ihrem Arbeitsvertrag ändern würde, und Cissy fiel wirklich nichts dazu ein. Eugenia war tot, und Deborah wurde nicht mehr gebraucht. So behutsam wie möglich erklärte Cissy ihr das Naheliegende und versprach ihr, dass sie noch bis zum Monatsende bezahlt werden würde.
Nachdem sie aufgelegt hatte, beschloss sie, Lars, den Chauffeur, Elsa, die Köchin, die Hausmädchen und den Gärtner anzurufen. Sie hatten ein Recht darauf, von ihr zu erfahren, was geschehen war, und sie wollte ihnen für ihre Treue danken. Im selben Augenblick entschied sie, dass alle noch zwei weitere Monate bleiben und Gehalt beziehen sollten und dass sie ausgezeichnete Zeugnisse bekommen würden, wenn sie im Haus nicht mehr beschäftigt werden konnten.
Kaum hatte sie zu Ende gedacht, merkte sie auf. War sie überhaupt berechtigt, diese Entscheidungen zu treffen?
Sie kam zu dem Schluss, dass es ihr zustand. Irgendwer musste mit den Angestellten der Cahills reden. Irgendwer musste ja für Ordnung sorgen.
Danke, Gran, dachte sie und empfand eine Mischung aus Schmerz und Frust. Cissy mochte Lars nicht sonderlich, Elsa und Rosa waren beide lieb, Paloma dagegen war schwer zu durchschauen. Trotzdem musste sie mit allen sprechen.
Die Dusche würde sie wohl oder übel auf später verschieben müssen.
7
Nun, was wissen wir genau über Eugenia Cahills Sturz in den Tod?«, fragte Paterno am nächsten Morgen, als Janet Quinn, tüchtig wie immer, einen Becher schwarzen Kaffee auf die Ecke seiner Schreibtischplatte stellte. Sie selbst schlürfte ein merkwürdiges Gebräu aus einem ähnlichen Becher, das aufgeschäumte Milch, Zucker, Karamellsirup und alles Mögliche enthielt, nur keinen Kaffee.
»Nicht viel«, antwortete sie. »Die Türen und Fenster weisen keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens auf, aber ein Fenster in der Nähe der hinteren Kellertreppe war spaltbreit offen, vermutlich zur Lüftung des alten Treppenhauses. Darunter haben wir jedoch keinerlei Schuhabdrücke gefunden, und außerdem ist es ziemlich hoch, etwa anderthalb Meter über dem Boden. In einem Schuppen steht eine Trittleiter, doch die hängt voller Spinnweben und sieht aus, als wäre sie seit Monaten nicht benutzt worden. Die
Weitere Kostenlose Bücher