Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
jemand als schlechter Mensch geboren wurde?
Oder nicht?
Es änderte nichts mehr.
Jetzt wollte Marla, dass Rory starb.
Und Elyse war ihre Vollstreckerin.
Rorys Zimmer befand sich am Ende des Flurs. Als Elyse eintrat, saß er im Rollstuhl und starrte auf den Fernseher, in dem eine Wiederholung von South Park lief.
»Hi, Rory«, sagte sie zuckersüß. »Du kennst mich doch noch, oder? Mrs. Smith?«
Er nickte, grinste. Sein Blick war leer, sein Kopf noch immer ein bisschen verformt. Pech, dachte Elyse und zog mit behandschuhten Händen den Beutel mit selbstgebackenen Cookies aus ihrer übergroßen Handtasche. »Darf ich den Fernseher ein bisschen lauter drehen? Weißt du, ich höre schlecht.« Sie drehte die Lautstärke auf, um die Geräusche, die er womöglich von sich geben würde, zu übertönen, entnahm ihrer Tasche dann eine Dose Limonade und gab, während sie mit ihm fernsah, genug Valium hinein, um ein Rennpferd einzuschläfern.
Sie reichte ihm die Dose. Er lächelte dankbar und trank sie aus.
Elyses Gewissen regte sich, als er trank. Er war doch wirklich wie ein unschuldiges Kind und hatte, soweit Elyse wusste, nie jemandem etwas zuleide getan.
Doch Marla war unerbittlich.
»Der Irre muss weg, hast du verstanden!«, hatte sie leidenschaftlich verlangt. »Weißt du überhaupt, wie viel seine Unterbringung in dieser überteuerten Anstalt kostet? Und dann die Physiotherapie und die Sprachtherapie und wer weiß was sonst noch. Es ist ein vergeudetes Leben. Vergeudet. Der Tod ist eine Gnade für ihn. Wer möchte denn schon so leben?«
»Aber er scheint ganz glücklich zu sein«, wandte Elyse ein, aber Marla fixierte sie mit ihrem wütenden grünen Blick.
»Weil er es nicht besser versteht.«
»Und was schadet das?«
»Tust du es nun, oder muss ich es tun?«, fuhr Marla sie an.
»Ich werde es tun. Ohne nachzudenken. Er wird kaum Schmerzen haben … Verabreich ihm einfach Schalentiere. Du kannst sie in Cookies verstecken.«
»Schalentiere?«
»Er ist schwer allergisch gegen Schalentiere. Er wird einen anaphylaktischen Schock bekommen, und das Valium gibt ihm dann den Rest. Überzieh die Kekse nur ordentlich mit Schokoladenguss. Er isst sie, glaub mir.«
Elyse war immer noch skeptisch, als sie die Cookies buk und später einen probierte. Der Krabbengeschmack war kaum wahrnehmbar. Die Kekse schmeckten schal, aber nicht unbedingt schlecht, und mit einem dicken Schokoladengussüberzug waren sie sogar ganz gut.
»Bitte schön, Rory«, sagte Elyse, sah sich über die Schulter hinweg um und hoffte, dass keine von den Hilfskräften zufällig das Zimmer betrat. Rory verfügte über eine Fernalarmanlage, ein Gerät mit einer Ruftaste, das er um den Hals trug. Wenn er die Taste drückte, wusste das Personal, dass er Hilfe brauchte. Sie musste jegliches Risiko ihrer Nutzung ausschließen. »Komm, das da legen wir auf den Nachttisch. Du willst es doch nicht mit Schokolade vollschmieren.«
Er blickte vertrauensvoll zu ihr auf und biss in einen Keks. Ob es klappte? Schon ein einziger Cookie dürfte genug Krabbenöl und gemahlene Shrimps enthalten, um einen Krampf einzuleiten und seine Kehle zuschwellen zu lassen. Falls er ihn aufaß. Doch das war anscheinend kein Problem. Er verzehrte einen Cookie und griff bereits nach dem nächsten, als die Wirkung einsetzte. Er fing an zu zucken, und Elyse schnappte sich eilig sein Notrufgerät und legte es im Bad ab. Dann packte sie sorgfältig die restlichen Cookies wieder ein und schob sie in ihre Tasche. Angst, gemischt mit Adrenalin, schoss durch ihre Adern. In ihrem Kopf drehte sich alles, als ihr bewusst wurde, wie wenig dazu gehörte, sie jetzt zu erwischen, sie auf frischer Tat zu stellen, womit dann alles verloren wäre, wofür sie so hart gearbeitet hatte.
Rory würgte und keuchte, verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und glitt heftig krampfend zu Boden. Elyse schob seinen Rollstuhl und den Rolltisch aus dem Weg, damit seine wild fuchtelnden Arme und zuckenden Beine nicht gegen das Metall schlugen und noch mehr Lärm verursachten als die erstickten Laute, die er ausstieß. Noch einmal drehte sie die Lautstärke des Fernsehers höher. Dann trat sie hinaus in den Flur und schloss die Tür hinter sich. Sie ging bedächtig weiter und wehrte sich gegen den Drang, einfach loszurennen. Stattdessen lächelte sie auf dem Weg zur Doppelglastür der Rezeption den ihr begegnenden Heimbewohnern lässig zu. Der Flur war so verdammt lang! Er schien sich bis
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