Deadline - Toedliche Wahrheit
schwang darin mit, wie ich ihn noch nie zuvor bei ihm vernommen hatte. Er rückte seine Brille zurecht und fuhr fort. »In Buenos Aires gab es kurz vor der ersten Identifizierung und Isolierung dieses Stamms besonders viele Todesfälle. Bei achtzig Prozent der Toten ist bestätigt, dass sie an frühen Formen von Reservoirkrankheiten litten. Es hat fünf Jahre gedauert, bis man den Stamm in Verbindung mit einer aktiven Reservoirkrankheit identifizierte.«
Kelly wurde noch bleicher.
»Durch seine Forschung über die Unterschiede zwischen den Virenstämmen hatte Professor Brannon Zugriff auf Zensusdaten und Totenakten von überall auf der Welt«, sagte Mahir. »Ein Großteil dieses Datenmaterials wurde bis vor Kurzem nicht in das Modell einbezogen – Dr. Abbey kann durch die üblichen Kanäle keine Informationen einholen, da ihr Labor nicht anerkannt ist, Dr. Christopher konzentriert sich auf die Behandlung und nicht auf die Struktur des Virus, und Dr. Tiwari befasst sich nicht mit Statistiken.«
»Ich komme nicht mehr mit«, sagte ich.
»Ich schon«, sagte Kelly. Sie starrte benommen an die Wand. »Er meint, dass man, sobald man die Analyse dieses Virenstamms und die Zensusdaten ins selbe Model einspeist, unerwünschte Ergebnisse erhält. Die Sorte Ergebnisse, wegen denen ein Mann, dessen Lebenswerk es war, das Leben anderer zu retten, Selbstmord begeht.«
Maggie runzelte die Stirn. »Ich dachte, dass es genau darum ginge, Ergebnisse zu produzieren.«
»Das schon, aber bei jeder Analyse kann es negative und positive Ergebnisse geben. Schau dir mal das hier an!« Mahir tippte auf ein Blatt und schob es zu Maggie. »Jedes Mal, wenn ein neuer Virenstamm identifiziert wurde – jedes Mal – , gab es unmittelbar vorher einen deutlichen Anstieg der Sterberate in der entsprechenden Gegend. Buenos Aires. San Diego. Manchester. Das ist kein Zufall, und es ist nichts, was sich auf ein bestimmtes Land oder einen Erdteil eingrenzen ließe. Es ist überall so, jedes Mal.«
Becks schüttelte den Kopf. »Na und? Vielleicht sind die neuen Stämme virulenter, wenn sie entstehen, und die Leute sterben daran.«
»Unwahrscheinlich.« Er holte ein weiteres Blatt Papier hervor, das ein bunt eingefärbtes Tortendiagramm zeigte.
»Sehr anschaulich«, sagte ich und zog es näher zu mir.
»So ist es auch gedacht.« Mahir holte ein weiteres Exemplar des Diagramms aus seiner Mappe und reichte es Alaric. »Das hier ist eine Übersicht über die Todesursachen bei Personen mit Reservoirkrankheiten, die unmittelbar vor der Identifizierung einer neuen Unterart ums Leben gekommen sind.«
»Die Tortenstücke sind so klein, dass man nichts lesen kann«, sagte Alaric.
»Genau darum geht es. Es gibt keine vorherrschende Todesursache bei den Opfern in den betreffenden Regionen. Sie … sterben einfach. Sie werden überfahren, fallen von Leitern, nehmen sich das Leben, sie sterben. Wie ganz gewöhnliche Todesfälle an einem ganz gewöhnlichen Tag. Das Muster besteht im absoluten Fehlen eines Musters, und es ist überall zu finden. Einen Monat später ist dann ein neuer Kellis-Amberlee-Stamm im Umlauf, der virulenter ist als der vorhergehende in derselben Region. Weitere drei bis fünf Jahre später treten die ersten Reservoirkrankheiten in Verbindung mit dem neuen Stamm auf, und noch zwei Jahre später beginnt der Kreislauf von Neuem.« Mahir setzte seine Brille ab und putzte sie mit einem Hemdzipfel. »Dr. Connolly, würden Sie uns bitte sagen, welche Schlüsse sie aus diesen Daten ziehen?«
»Ich kann nichts mit Sicherheit sagen, solange ich mich nicht eingehender mit dem Material befasst habe, aber … « Kelly rieb sich mit dem Handrücken die Augen und geriet ein wenig ins Stocken, als sie fortfuhr: »Ich würde sagen, dass es keine natürlich auftretenden neuen Virenstämme von der viralen Chimäre gibt, die wir gewöhnlich als Kellis-Amberlee bezeichnen.«
»Was redest du da?«, fragte ich. »Er hat doch gerade gesagt , dass die ganze Zeit neue Stämme auftreten. Dieser tote Professor hat seine ganze Laufbahn darauf verwendet, sie zu studieren. Es muss sie geben.«
Sie hat nicht gesagt, dass es keine neuen Stämme gebe, Shaun. Sie hat gesagt, dass sie nicht natürlich auftreten.
Georgia klang niedergeschlagen, geradezu resigniert, als hätte sie schon die ganze Zeit mit dieser Antwort gerechnet, als ob der Teil von mir, der an ihr festhielt, längst alles begriffen hatte und nur darauf wartete, dass auch der Rest meines Verstandes es
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